#45 Wer waren die Skeptiker?
Zusammenfassung
Wer waren eigentlich die Skeptiker? Ihr erinnert euch vielleicht, dass ich schon über zwei der großen hellenistischen Schulen der antike geredet habe: Die Epikureer und Stoiker. Die Epikureer etwas versteckter in der Folge über das gute Leben. Doch was hat es mit dieser dritten Strömung auf sich? Grob gesagt haben die Skeptiker an all dem Wissen gezweifelt, das die anderen Wissenschaften hervorgebracht haben. Was genau können wir eigentlich wirklich wissen? Mit genau dieser Frage habe ich auch schon einmal eine Folge gemacht! Aber sie trifft nicht komplett den Kern des Problems. Wie Pyrrhon von Elis uns zeigen wird, zeigt allein diese Frage, wie weit wir eigentlich vom richtigen Weg abgekommen sind. Sie ist nämlich an sich schon falsch gestellt.
Hallo zusammen und
herzlich willkommen zurück zu einer weiteren Folge von „Philosophie für
zwischendurch!“
Einleitung
In vergangenen Folgen
habe ich euch schon viele Philosophien der antiken Griechen vorgestellt. In
Folge 39 ging es zum Beispiel um die Stoiker. In der Nummer 19 habe ich über
das gute Leben gesprochen und die Epikureer erwähnt. Und ihr erinnert euch
vielleicht auch, was diese Beiden ausgemacht hat. Es waren zwei von den drei
großen Schulen in der hellenistischen Zeit des antiken Griechenlands. Sokrates
und die Sophisten liegen hier schon in der Vergangenheit, genau wie Platon. Die
neueren Akademien Griechenlands versuchen jetzt auf eigene Faust
herauszufinden, was das gute Leben ist.
Daher predigen die Stoiker nach dem großen Zenon einen ganz in sich gekehrten
Lebensstil: Die großen äußeren Bedingungen der Welt sind nicht durch das
Individuum änderbar, denn dafür haben wir bei weitem nicht die Macht. Deshalb
soll man es gar nicht erst versuchen, sondern sich auf sich selbst konzentrieren.
Während wir nämlich auf die Welt kaum Einfluss haben, haben wir sehr viel Macht
über uns selbst: Deshalb sollten wir uns darin üben, innerlich gelassen und
ruhig zu werden, sodass wir im Frieden leben können. Wenn man mit sich selbst
im Reinen ist, machen einem die äußeren Bedingungen auch nicht mehr so viel
aus.
Während die Epikureer, benannt natürlich nach dem Philosophen Epikur, meinen,
man solle sich darauf konzentrieren, schöne Erlebnisse zu haben. Aber nicht im
hedonistischen Sinne mit der größten Lust in jedem Augenblick. Vielmehr soll
man durch die Vernunft erkennen, was die wahren und bleibenden Freuden sind.
Dazu zählen dann zum Beispiel Treffen mit den Freunden oder bestimmte Hobbys.
Man soll zwanglos, enthaltsam und in guter Gesellschaft leben.
Heute geht es um die dritte große hellenistische Strömung: Die der Skeptiker.
Sie fallen bei dieser Aufzählung oft etwas aus der Reihe, weil sie die Frage
nach dem Glück etwas anders angehen als die Stoiker und Epikureer. Eigentlich
würde man zuerst denken, dass sie sich gar nicht damit beschäftigen. Den Skeptikern
geht es nämlich vor allem um Eines: Die Wahrheit – daher auch ihr Name. Wir tun
oft so, als würden wir lauter Dinge über die Welt wissen und bauen darauf
unsere Theorien auf: Aber wissen wir diese ganzen Dinge wirklich? Wenn man
alles wirklich bis auf den Kern zurückverfolgt, müssten wir eigentlich das
Meiste, was wir so annehmen, verwerfen. Woher wissen wir sicher, ob Sokrates
damals überhaupt Philosoph war? Wer sagt, dass dieser oder jener Bus ins
Stadtzentrum fährt? Und woher sollen wir eigentlich wissen, dass es morgen noch
die Gravitation gibt? Was ist, wenn wir eigentlich in einer riesigen Illusion
leben? Diese Fragen kommen vielleicht Hörer*innen der 6. Folge bekannt vor:
„Was können wir wissen?“ Und richtig, damit hat sich auch Descartes
beschäftigt, einer der radikalsten skeptischen Philosophen, den wir kennen.
Aber heute soll es zuerst einmal um die antiken Philosophen gehen. Worum ging
es den Skeptikern?
Subjektive Wahrheit
Den Anfang des
Skeptizismus sehen wir aber tatsächlich schon vor der neuen Akademie, und zwar
bei Platon.
Es fällt nicht schwer zu sagen, dass Platon der einflussreichste griechische
Philosoph war. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass niemand das
westliche philosophische Denken mehr beeinflusst hat, als er. Was Platon aber
auch war, war ein Dogmatiker, und zwar felsenfest. Das Wort „Dogma“ kennt ihr
sicher schon. Das ist im Grunde ein fester Glaube an bestimmte Wahrheiten. Und
davon gibt es bei Platon viele: Dass man Glückseligkeit durch die Vernunft
erreicht, zum Beispiel. Oder, dass es überhaupt das Gute und Schlechte gibt.
Generell heißt es nach Platon, dass es gewisse objektive Fakten in der Welt
gibt, die wahr sind und die wir erreichen können, wenn wir genug nachdenken.
Das klingt eigentlich wie common-sense, aber daran sieht man noch einmal den
großen Einfluss des Philosophen auf unser Denken.
Dementsprechend ist Platon aber natürlich gegen die Skeptiker und glaubt
nicht, dass man alles bezweifeln müsste. Wir finden aber über seine Dialoge
heraus, was sie seiner Zeit so gedacht haben: Denn ihre Argumente tauchen bei
ihm auf der Gegenseite auf.
So zum Beispiel in dem
Dialog „Theaitetos“, in dem sich Sokrates mit Theodoros und Theaitetos
unterhält. Theodoros ist Theaitetos‘ Lehrer, beide sind Mathematiker. Es geht
darum, was eigentlich Erkenntnis, Wahrheit und Wissen ist. Den größten Teil des
Dialoges können wir hier überspringen, ihr findet aber mehr dazu in der Folge
28 zu den Vorsokratikern. Aber irgendwann gegen Ende erwähnt Theaitetos die
Argumentation des Protagoras zur Wahrheit. Protagoras war ein Sophist, also
jemand, der gegen Geld Unterricht in Philosophie und Politik gegeben hat. Ihnen
wurde oft, auch von Platon, vorgeworfen, dass sie Scharlatane seien, die durch
Scheinwissen ihr Geld verdienen. Aber Protagoras kommt hier eigentlich ganz gut
weg. Er sagt nämlich Folgendes:
Im Gegenteil zu Platon meint er, dass es keine objektiven Erkenntnisse gibt.
Eigentlich gäbe es nur subjektive Wahrheiten, weil jeder Mensch mit seinem
eigenen Kopf denkt und den eigenen Augen sieht. Von Protagoras kommt der
Ausspruch: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“. Im Grunde ist das gar nicht so
falsch: Wir haben alle unseren eigenen Hintergrund, gesellschaftliche Prägung,
Erziehung und Denkart. Und da gibt es keinen Grund, einer Meinung den Vorzug
vor der anderen zu geben. Dementsprechend sind es alles Wahrheiten: Nicht
objektiv, aber subjektiv. In dem Moment, in dem jemand etwas ausspricht, ist es
also wahr – aber eben nur für diese Person.
Das wirkt jetzt erstmal vielleicht doch etwas kontra-intuitiv: Subjektive
Meinungen würden wir nicht mit Fakten gleichsetzen.
Aber Theaitetos nennt ein Beispiel: Das Temperaturempfinden. Stellt euch vor,
ihr seid mit einer zweiten Person in der Stadt und es weht ein Wind. Es ist
vorstellbar, dass ihr friert, während die andere Person schwitzt - oder
umgekehrt. Dogmatiker*innen mögen behaupten, dass die Temperatur ganz einfach
20 Grad beträgt, aber was heißt das? Für die eine Person ist es warm, für die
andere kalt. Es können nicht beide falsch liegen, schließlich wird es nicht
weder warm noch kalt sein. Es wäre aber auch unplausibel, wenn nur eine von
beiden Recht hätte, denn wie könnte eine Sinneswahrnehmung falsch sein? Es
kommt beiden ja jeweils warm oder kalt vor. Es müssen also beide in einem
subjektiven Sinne recht haben. Und nach diesen subjektiven Fakten strukturieren
wir unser Leben: Es gibt keine einheitliche Kleidung für 20 Grad, einige ziehen
sich eine Jacke an, andere ein T-Shirt. Und so zieht es sich durch das ganze
Leben. Wir tun immer so, als gäbe es eine objektive Ebene, aber wie würden wir
die überhaupt erreichen? Es müsste ja eine Ebene sein, die alle möglichen
subjektiven Eindrücke vereint. Wir dagegen haben nur unseren eigenen Kopf, sehr
viel weiter kommen wir nicht. Dementsprechend sind alle unsere Erkenntnisse
subjektiv und das ist die einzige Wahrheit, die wir haben.
Das wirkt vielleicht
erstmal ein bisschen absurd, wenn man es wirklich auf alles anwendet, aber ihr
werdet sehen: Die Theorie ist robuster, als man denkt. Das testet Sokrates,
bzw. Platon auch gleich aus: Und zwar entgegnet er, dass es doch mathematische
Fakten gäbe, die objektiv wahr sein müssen. Egal, welcher Kopf die Rechnung
„1+1“ durchgeht, es wird immer „2“ herauskommen. Das müsste eine Wahrheit sein,
die unabhängig vom Subjekt steht. Selbst Protagoras‘ subjektive Meinungen
lassen sich objektifizieren: Er sagt, dass es einer Person warm und einer
anderen kalt vorkommt? Das ist ein objektiver Fakt. Und er lässt sich damit
erklären, dass verschiedene Menschen unterschiedliche Temperaturen gewöhnt sind
und einen unterschiedlichen biologischen Aufbau haben. Das heißt nicht, dass es
keine Meinungen mehr gibt, aber sie sind eben von den Fakten zu trennen.
Aber damit machen wir es
uns eigentlich doch wieder etwas einfach. Es kommt uns eben subjektiv so vor,
als gäbe es eine objektive Ebene, aber das ist eine Illusion. In der
Wissenschaft gibt es sehr viele Erkenntnisse, die als universell angepriesen
werden, aber es gar nicht sind. Zum Beispiel wurde sehr lange von Forscher*innen
verschiedener Richtungen angenommen, dass in der Steinzeit die Aufgabenbereiche
zwischen Mann und Frau klar aufgeteilt waren: Die Männer waren Jäger und die
Frauen Sammler. Der Grund dafür wurde in der Biologie gesehen. Da das Männliche
als das von Natur aus muskulösere und dominantere Geschlecht galt, lag es nahe,
dass diese jagen würden. Die zurückhaltenden emotionalen Frauen dagegen wurden
eher in der Höhle bei den Kindern und beim Sammeln von Beeren gesehen. Daraus
wurde auch das gesellschaftliche Bild der Geschlechter abgeleitet, bzw. es
wurde damit bestärkt. Ist eine nette Theorie, oder? Und mit vielen scheinbar
objektiven Wahrnehmungen gedeckt: Denn es kam nicht nur einer Person so vor,
sondern zu einer gewissen Zeit allen. Und wenn doch weibliche Skelette weiter
weg von der Höhle oder mit Waffen gefunden wurden, wurde das als Ausnahme
abgetan. Sicher nur ein seltener Fall, wenn der Mann gestorben war oder
besonders starke Angreifer kamen.
Unser moderneres Geschlechterbild stellt aber immer mehr infrage, ob Frauen und
Männer wirklich so streng aufgeteilt werden müssen. Frauen scheinen doch auch
in der Lage zu sein, dominanter aufzutreten und eine große Muskelmasse zu
entwickeln. Auch hat sich immer mehr die Frage aufgedrängt, wie viel unserer
Geschlechter biologisch und wie viel gesellschaftlich erzeugt ist.
Und prompt gab es in dem Fall der Jäger und Sammler eine neue Erkenntnis: Die
ganzen vermeintlichen Ausnahmen waren gar keine! Es scheint sogar eine gewisse
Regelmäßigkeit in den Funden zu geben: Männer und Frauen waren wohl doch
gleichermaßen an der Jagd und dem Sammeln beteiligt. Nun, ich bin kein
Archäologe oder Anthropologe, deshalb kann ich nicht mit Gewissheit sagen, wie
es damals war. Und ganz sicher war zu dieser Zeit niemand von uns am Leben.
Aber es ist auch egal, wie es tatsächlich war: Der Punkt ist, dass wir zuerst
eine Theorie als objektive Wahrheit herausgestellt haben und jetzt eine andere.
War die davor nur subjektiv wahr wegen des Bildes der Geschlechterrollen? Und
jetzt haben wir durch eine modernere Auffassung die objektive Wahrheit
herausbekommen? Versteht mich nicht falsch, ich glaube den modernen Forscher*innen!
Aber wenn man es so zusammen ausspricht, wirkt es doch etwa albern zu glauben,
dass wir jetzt im Gegensatz zu damals objektive Erkenntnisse haben. Sind wir
etwa weiser geworden? Oder wird sich irgendwann, wenn es vielleicht gar keine
Geschlechterrollen gibt, herausstellen, dass Mann und Frau damals identisch
waren.
Selbst Sokrates‘ mathematisches Argument scheint zunächst solider als es ist.
Also, 1+1 soll 2 sein. Aber ist das tatsächlich eine Erkenntnis? Eigentlich ist
das eine deduktive Tautologie, die sich nur im Kopf abspielt. Was heißt das?
Wer meine 7. Folge zum Nutzen der Philosophie gehört hat, kann mit dem Begriff
der Deduktion vielleicht schon etwas anfangen. Eine deduktive Erkenntnis ist
eine, die kein neues Wissen von außen erfordert, sondern sich aus dem ergibt,
was man hat. Zum Beispiel kann man wissen, dass Sokrates ein Mensch ist und
Menschen sterblich sind. Daraus kann man schließen, dass Sokrates sterblich
ist. Das ist aber nichts wirklich Neues, sondern nur ein Ordnen der Gedanken.
Und eine Tautologie erfordert sogar noch weniger Arbeit: Hier steht die
Konklusion schon ganz offen in der Prämisse. Alle Philosophen sind Philosophen,
also sind alle Philosophen Philosophen. Und 1+1 ist ja im Grunde dasselbe wie
2! Und dann: Was heißt das in der Realität? Immer, wenn wir ein Ding neben ein
anderes legen, haben wir 2 Dinge? Aber wissen wir sicher, wann wir eine und
noch eine Sache haben? Wenn Erkenntnis subjektiv ist, können wir uns da gar
nicht sicher sein! Und denkt wirklich jeder Kopf, dass 1+1 2 ist? Genau wie bei
der anderen Tautologie: Sind tatsächlich alle Philosophen Philosophen? Denn
genau während wir das real aussprechen, verändern sie sich bereits, vielleicht
hört jemand in genau dem Augenblick mit seinem. Job auf oder so. Was ist die
objektive Wahrheit?
Das ist eigentlich eine
recht interessante Position von Protagoras, oder? Auch wenn man zugeben muss,
dass sie in dem Text nicht ganz so sehr ausgebaut wird. Platon will Protagoras
immernoch als Sophisten darstellen, der versucht, zu täuschen und unechte
Argumente bringt, die man leicht entkräften kann. Aber wenn man es sich genau
überlegt, hat er schon einen Punkt.
,,Ich weiß, dass ich
nicht weiß“
Tatsächlich kommen solche
skeptischen Einwürfe aber nicht nur von irgendwelchen Sophisten, sondern auch
aus Platons eigenen Reihen: Sokrates, dem antiken Philosophen schlechthin!
Zumindest wurde er so in der mittleren und neuen Akademie oft interpretiert –
berechtigterweise. Es geht um seinen bekanntesten Ausspruch: „Ich weiß, dass
ich nicht weiß“. Was hat es damit auf sich? Nun, ich erzähle den ganzen
Werdegang tatsächlich auch in meiner 14. Folge, die ganz dem Philosophen
gewidmet ist. Aber hier die Kurzfassung: Sokrates war zu dieser Zeit in Athen
angeklagt worden, und zwar wegen Gotteslästerung, Verderbung der Jugend und
Sophisterei.
Wie ihr wahrscheinlich
wisst, ist Sokrates sehr lange in Athen umhergegangen und hat mit verschiedenen
Menschen philosophiert. Oder sie eher befragt: Der Philosoph hatte sich nämlich
in den Kopf gesetzt, dass die Götter ihm aufgetragen hätten, die Wahrheit über
die Welt herauszufinden. Was ist das Gute? Was sollen wir tun? Aber natürlich
wusste das Sokrates selbst auch nicht, also ist er umhergegangen und hat die
Leute zu all diesen Dingen befragt. Obwohl ihm die Menschen erst recht
selbstbewusst antworteten, konnte am Ende niemand genau sagen, was jetzt der
Sinn des Lebens sein sollte oder das Göttliche. Sokrates machte mit seiner
Fragerei auch nicht vor reicheren Menschen Halt, weil die ja umso mehr immer
von sich behaupteten, besonders weise zu sein. Waren sie aber nicht. Und ihnen
gefiel es gar nicht, dass Sokrates sie öffentlich lächerlich machte und die
Macht der Eliten in Frage stellte. Und so klagten sie ihn an, unter dem
Vorwand, er würde den Göttern lästern, mit seinen Fragen den Jugendlichen
Flausen in den Kopf setzen und vorgeben, weiser zu sein als alle anderen, um so
mehr Geld zu verdienen.
Damit waren die Richter aber im Unrecht: Sokrates hatte nie behauptet,
irgendetwas besser zu wissen. Und genau das sagte er auch in seinem Prozess:
„Ich weiß, dass ich nicht weiß“. In seinen ganzen Jahren als Philosoph hatte er
immer nur gefragt, nicht geantwortet. Er hatte es auch nie besser gewusst. Aber
jetzt, nach so vielen Dialogen, gestand er sich zu, dass er zumindest zu
wissen, dass er die ganzen Antworten auf seine Fragen auch nicht wusste. Und so
war sein Wissen eigentlich ein nicht-Wissen, denn es funktionierte nur im
menschlichen Rahmen und war damit quasi künstlich.
Zum Beispiel kann man sagen, dass man ein Mensch ist und einen Beruf ausführt.
Aber diese Erkenntnis ist unbedeutend, weil man ja noch nicht einmal weiß, was
ein Mensch tatsächlich ist und woher er kommt! Und ein Beruf ist auch eine
Paradoxe Tätigkeit, in der man sich ewig beschäftigt, um sich am Leben zu
erhalten, bis man dann doch stirbt. Und wir wissen auch nicht, was dann ist.
Und das ist es ja
eigentlich, was der Skeptiker sagt: Wir wissen viel weniger, als wir meinen.
Selbst der große Sokrates hat nicht eine seiner vielen Fragen beantworten
können – es scheint unmöglich zu sein. Damit ist die einzige Wahrheit, die uns
bleibt, die subjektive. Wobei die nicht alle Skeptiker als Wahrheit verstehen
würden. Sie würden sagen: „Es scheint, dass wir die Wahrheit gar nicht erfassen
können.“
Radikaler Skeptizismus
Es bleiben aber nicht
alle Skeptiker auf diesem Punkt stehen. Wir sind hier zwar in der Antike, aber
ich möchte trotzdem einen Sprung eine spätere Zeit wagen: Zu Descartes und
seinen Meditationen zur Philosophie. Er ist zwar vor allem als Rationalist
bekannt, war aber auch ein sehr radikaler Skeptiker. Die Behauptung, dass man
die objektive Wahrheit nicht erkennen kann, weil man dazu nur seine subjektiven
Sinne hat, hat er sich zu Herzen genommen. Statt das aber zu akzeptieren, hat
er angefangen, nach einer Wahrheit zu suchen, die man niemals bezweifeln kann. Denn
obwohl er skeptische Methoden angewendet hat, war Descartes immer schon
Dogmatiker, der an die große Wahrheit geglaubt hat.
Auf der Suche danach hat er aber zunächst einmal alles verworfen, was ihm so
einfiel. Jede Erkenntnis, jede Sinneswahrnehmung, jede Theorie könnte
schließlich falsch sein, man weiß es nicht. Wir nehmen die Welt durch unsere
Augen und Ohren wahr, aber sie können sich auch täuschen. Und bei Träumen ist
nichts real, was wir wahrnehmen, es kommt uns aber trotzdem echt vor. Descartes
geht sogar so weit zu sagen, dass es theoretisch einen bösen Dämon geben
könnte, der alle unsere Sinne zu jeder Zeit täuscht. Woher würden wir den
Unterschied kennen? Wir könnten schon seit Jahren in einer unechten Realität
leben, in der eigentlich nichts so ist, wie es scheint. Wenn wir das als
Möglichkeit sehen, gibt es sehr viel, was man verwerfen müsste: Eigentlich
führt jede Theorie am Ende darauf zurück, dass wir etwas wahrnehmen. Jedes
physikalische Gesetz stützt sich darauf, dass unsere Realität zumindest ein
Stück weit so ist, wie sie uns vorkommt. Selbst theoretische Konstrukte wie
Überlegungen zur Moral oder sogar Mathematik basieren darauf, dass es Menschen
gibt, Handlungen und einzelne oder doppelte Gegenstände. Allein das Konzept
einer Anzahl setzt voraus, dass Dinge auf eine bestimmte Art geordnet werden
können. Descartes vergleicht dieses Verwerfen ein bisschen mit einem Korb
voller Äpfel: Wenn einer faulig ist, dann wird man nicht einfach die anderen behalten
und schon darauf vertrauen, dass mit denen alles in Ordnung ist. Nein, wenn man
konsequent ist, wird man sie alle wegwerfen. Und so ist es mit der Erkenntnis:
Wenn eine Grundlage, wie die Sinnesorgane, wegfällt, muss alles andere auch
gehen.
Gut, was machen wir
jetzt? Alle Erkenntnisse sind über Bord geworfen, alles könnte man anzweifeln.
Nun, Descartes ist Rationalist, das heißt, dass er darauf setzt, durch den
Geist Wahrheiten zu erkennen, die den Sinnen verborgen bleiben.
Und schnell findet er auch eine solche Wahrheit: Es scheint evident zu sein,
dass wir zweifeln. Denn wenn man davon ausgeht, dass uns die ganze Zeit ein
böser Dämon täuscht, muss es trotzdem jemanden geben, den oder die
er täuscht. Auch, wenn man den Dämon unplausibel findet, kann man sagen, dass
es jetzt gerade jemanden oder etwas geben muss, das zweifelt. Warum ist das
evident? Naja, wenn wir bezweifeln, dass es etwas gibt, das gerade zweifelt,
gibt es etwas, das gerade daran zweifelt, dass es etwas gibt, das zweifelt. Und
so weiter. Es wäre als eine unendliche Kette, bei der immer am Ende ein
zweifelndes Ding steht. Und dieses Zweifeln kann man ausweiten auf das gesamte
Denken. Hier denkt gerade jemand oder etwas. Ausformuliert ergibt das den Satz,
den ihr von Descartes sicher kennt: „Ich denke, also bin ich.“ Das ist im
Grunde alles. Abgesehen davon ist kein Körper oder Objekt bewiesen. Man kann
noch festlegen, dass man nicht nur sicher denkt, sondern auch wahrnimmt, aber
das bringt nicht viel, weil die Wahrnehmungen selbst ja falsch sein können.
Mathematische Erkenntnisse kann man zu einem gewissen Punkt für evident halten,
weil aber die Welt selbst ungewiss ist, bleibt es bei rein theoretischen
Gedankenkonstrukten. Klar, wenn ich mir vorstelle, dass 1 einen Wert hat, der in
2 doppelt enthalten ist, ist 2 mal 1 2. Das ist logisch hergeleitet, aber
trifft keine Aussage über die Welt da draußen.
Man sieht also, dass
Descartes sehr radikal skeptisch war, schließlich hat er diese ganzen Annahmen
verworfen. Aber in dieser skeptischen Methode ist trotzdem eine dogmatische
Weltsicht eingebettet: Descartes hat nie wirklich geglaubt, dass es keine
objektive Wahrheit auf der Welt gäbe oder man sie nicht erfassen könnte. Er hat
sie nur einfach systematisch gesucht. Und das ist natürlich legitim, aber man
merkt, dass er im Herzen kein Skeptiker war. Das wird vor allem am Ende der
Meditationen deutlich, als er versucht, mithilfe eines Gottesbeweises zu sagen,
dass unsere Realität doch wahrhaftig sein könnte. In aller Kürze meint er eben,
dass Gott allmächtig und gütig ist und nicht zulassen würde, dass ein Dämon uns
täuscht. Auch wenn wir also nicht allen Sinneseindrücken gleich trauen sollten,
können wir mithilfe der logischen Überlegung schon Wahrheiten über die Welt
herausfinden. So ungefähr.
Die pyrrhonische Skepsis
In der Antike gab es aber
eine ältere skeptische Ausrichtung, der weder Descartes noch Protagoras‘
Ansätze gereicht hätten. Beides wäre zurückgewiesen worden, weil es einfach
doch noch ein Stück zu dogmatisch war. Denn wer wirklich skeptisch sein will, muss
eben alles anzweifeln. Dass Descartes Dogmatiker war, ist unschwer zu
erkennen: Er hat bereits vorausgesetzt, dass man irgendeine Wahrheit in der
Welt finden können müsste und es das Objektive gibt. Aber selbst Protagoras ist
davon ausgegangen, dass man die objektive Wahrheit nicht erkennen könne und,
dass in der Erkenntnis eine Wahrheit stecken würde. Das sind alles immernoch
Dogmen. Die pyrrhonischen Skeptiker behauptet weder, dass es eine objektive
Wahrheit gibt, noch, dass es sie nicht gibt. Sie behaupten von überhaupt
nichts, dass es wahr oder falsch ist. Es gab auch nie eine Akademie von ihnen,
weil das vorausgesetzt hätte, eine definitive Lehrmeinung zu haben. Das
Stichwort dieser Skeptiker war aber die Urteilsenthaltung.
Warum nun würde man sich über jede Frage zurückhalten? Selbst über die der
Wahrheit selbst. Weil es zu jeder These eine gute Gegenthese gibt, die beide
plausibel sind. Nehmen wir das Gute: Platon sagt, es sei objektiv und man dürfe
niemandem schaden, Nietzsche meint, das wäre eine subjektive und kulturelle
Sache. Beide haben gute Argumente und es gibt keinen wirklichen Beweis: Wo
liegt also die Wahrheit? Als Dogmatiker würde man nun einfach hergehen, eine
der beiden Seiten als unwahr erklären und sich der anderen anschließen: Aber eigentlich
betreibt man so doch keine Philosophie! Wahre Philosoph*innen sollten wissen,
dass man Aussagen nur dann wirklich akzeptieren können sollte, wenn sie
zweifellos wahr sind. Und weil das bisher nicht der Fall war:
Urteilsenthaltung. Selbst bei Descartes kann man daran zweifeln, dass es einen
Dämon geben soll und wir getäuscht werden oder es tatsächlich etwas gibt, das
zweifelt. Wenn ihr es euch recht überlegt, klingt seine Argumentation zwar
vielleicht evident und logisch, aber ein wirkliches stichhaltiges Argument für
unsere Existenz gibt es auch nicht. Es kommt uns so vor, dass es etwas gibt,
das zweifelt, aber woher können wir das sicher wissen?
So funktioniert der
Skeptizismus aber auch nicht, er kann kein Sprungbrett für dogmatische Ansätze
sein, denn entweder zweifelt man an allem oder man nimmt etwas an. Sextus
Empiricus, der viele Jahre später die Erkenntnisse des Pyrrhon aufgeschrieben
hat, meint: Es gibt drei wichtige Arten, zu denken. Dogmatisch, akademisch und
skeptisch. Die Dogmatiker glauben, sie hätten die Wahrheit gefunden. Die
Akademiker meinen, sie könne nicht erkannt werden und die Skeptiker suchen
noch. Was genau heißt das, noch zu suchen? Bei Empiricus heißt es, dass jeder
bei seiner Suche nach Antworten als Dogmatiker anfängt. Wir glauben intuitiv
daran, dass es eine Lösung für unsere Fragen gibt, wenn wir nur genug
nachdenken. Das tun wir dann aber und stellen fest, dass es Argumente dafür und
dagegen gibt, die alle berechtigt sind. Das ist recht frustrierend, aber statt
dieses Problem einfach zu ignorieren und eine Richtung für richtig zu erklären,
sollte man einfach akzeptieren, dass sich das bei den Dingen der Welt scheinbar
wohl so verhält: Man findet einfach keine Antwort darauf. Doch das bringt einen
dann zur Seelenruhe, die das Ziel der pyrrhonischen Skeptiker ist. Ein Zustand,
in dem man nicht mehr von Fragen belagert wird, sondern akzeptiert, dass man
ihre Antworten nicht findet. Und auch das ist übrigens kein Dogma, einfach nur
eine Beobachtung, die Pyrrhon anstellt. Im Sinne von: Es ist bisher niemandem
gelungen, konkrete Antworten zu finden und der Prozess ist wohl auch recht
anstrengend. Es scheint eine bessere Idee zu sein, davon abzulassen. Es könnte
sein, dass man etwas findet, aber das ist noch nicht vorgekommen. Dieser
Skeptiker wäre wohl noch nicht einmal der Meinung gewesen, dass Descartes das
geschafft hätte.
Diesen Vorgang illustriert uns Empiricus an einem Beispiel über den Maler
Apelles. Er ist ein meisterhafter Maler und widmet sich nun schon seit längerer
Zeit der Zeichnung eines Pferdes. Und es ist wirklich gut geworden: Die Mähne
weht im Wind, die Hufe trampeln auf den Boden und der Blick in den Augen ist
wild. Es ist komplett naturgetreu bis auf den Schaum vor dem Mund. Den möchte
Apelles noch malen, dann wäre das Bild auch fertig – aber es gelingt ihm nicht.
Es sieht einfach immer unecht aus. Apelles nimmt diesen Pinsel, jene Farbe und
geht sogar für eine Weile raus, um sich den echten Schaum noch einmal genau
anzuschauen, aber nichts hilft. Schließlich wirft Apelles vor lauter Frust
einen Schwamm gegen das Bild, der sofort Seife überall verteilt. Doch dadurch
hat sich nun komplett realistischer Schaum am Mund des Pferdes gebildet und das
Bild vollendet. Gut für ihn – was heißt das jetzt für uns? Nun, im Grunde ist
Apelles unser Dogmatiker, der zum Skeptiker wird, das fertige Bild des Pferdes
ist die Seelenruhe, seine Maltechniken verschiedene Dogmen und der Schwamm die
Skepsis. Das Ziel aller Philosophien der Antike war es, einen Weg zu finden,
dass man glücklich ist. Die meisten Philosophen hatten deshalb als Dogmatiker
den Ansatz, einfach nachzuforschen, was einen glücklich macht. Dann würde man
herausfinden, wie man leben soll. In das Beispiel übersetzt denkt sich Apelles:
„Wenn ich ein Bild eines perfekten Pferdes haben will, sollte ich es mit diesen
und jenen Pinseln malen“. Und es wird auch wirklich gut, nur eben nicht perfekt
– gewisse Antworten können wir nicht finden, bzw. gewisse Dinge nicht malen.
Also wirft er den Schwamm, und zwar nicht als Technik, sondern aus Frust. Denn
der pyrrhonische Skeptizismus ist kein Dogma. Durch seinen Ausbruch erreicht er
dann aber tatsächlich doch die Seelenruhe. Und auch hier: Er würde jetzt nicht
seinen Freunden erzählen, dass sie einen Schwamm gegen jedes Bild werfen
müssen, um es zu perfektionieren, das ist ja keine Maltechnik! Er hatte schon
aufgegeben, ein perfektes Pferd malen zu wollen und das hat ihn zum Ziel
gebracht. Es ist kein Gesetz, dass man so ein Pferd malt, aber der dogmatische
Weg hat einfach noch nie komplett funktioniert. Zur Glückseligkeit kommen wir
nicht, indem wir herausfinden, was uns glücklich macht, sondern, indem wir
aufhören, uns diese Fragen zu stellen.
Ok, ihr habt es
wahrscheinlich schon verstanden. Wenn ihr mich jetzt so über den pyrrhonischen
Skeptiker habt reden hören, habt ihr sicher manchmal genickt und manchmal die
Stirn gerunzelt. Denn das Grundprinzip des pyrrhonischen Skeptikers ist
eigentlich recht simpel: Man möchte von den drängenden philosophischen Fragen
befreit sein, indem man einsieht, dass es auf sie keine eindeutige Antwort
gibt, um dann die Seelenruhe zu haben. Aber warum? Denn Pyrrhon sagt nicht
einfach nur, dass es eben so ist, sondern argumentiert dafür. Wie kommt er
dazu, kein einziges Urteil über alle Fragen der Welt fällen zu wollen? Sagt er
wie Descartes, dass man seinen Sinnen einfach nicht trauen darf?
Nein, es ist ein bisschen komplexer als das: Sextus Empricus nennt uns 10
Gründe, die Pyrrhon dafür genannt hatte, die später auf 5 verkürzt wurden. Der
Einfachheit halber belasse ich es bei den 5.
Das erste Argument ist das, was wir auch schon hatten: Bei allen
Untersuchungen, besonders philosophischer Natur, aber auch Anderer, ist man mit
Argumenten dafür und dagegen konfrontiert, die beide plausibel sind. Wenn man
sich fragt, ob man lügen soll, kann man argumentieren, dass das grundsätzlich
falsch ist, oder, dass es manchmal Vorteile für alle haben kann. Weil man nicht
einfach einer Seite zustimmen kann, ohne die andere in einer recht
unphilosophischen Weise zu ignorieren, muss man sich hier enthalten.
Punkt Nr. 2: Man muss bei einer dogmatischen Argumentation jeden Punkt durch
einen anderen belegen, was dann in die Unendlichkeit führt. Es gibt kein erstes
Argument, das alles erklären kann. Kommen wir hier wieder zur Lüge: Lügen ist
schlecht, weil es eine unmoralische Handlung ist. Es ist eine unmoralische
Handlung, weil es andere Menschen benutzt. Das ist schlecht, weil man die
Autonomie jedes Wesens achten muss. Das ist so, weil das essentiell zum
Menschen dazugehört. Das ist wichtig, weil… und so weiter. Aber warum
eigentlich das Ganze? Warum Moral, warum wir? Das ist ein unendlicher Regress,
also wieder: Enthaltung.
Drittes Argument: Jeder Mensch hat eine unterschiedliche Meinung und
Perspektive auf verschiedene Dinge und es kann weder alles wahr, noch alles
falsch sein. Das erinnert ein bisschen an Protagoras, nicht wahr? Und ist im
Grunde derselbe Punkt: Wissenschaftliche Erkenntnisse basieren sehr häufig auf
subjektiven Eindrücken. Also kann man keiner Aussage zustimmen, ohne eine
andere abzulehnen, die auch plausibel ist. Ein bisschen wie der erste Punkt und
hat dieselbe Konklusion: Wir müssen uns enthalten.
Viertens wird bei dogmatischen Argumentationen oft ein Punkt vorausgesetzt, um
den Rest zu begründen. Diese ersten Argumente können aber immer auch bezweifelt
werden: Zum Beispiel behaupten viele Philosoph*innen, dass moralische
Handlungen gut Seien. Aber ist das tatsächlich so? Enthaltung.
Und der letzte Punkt: Wenn man den Dogmatiker so weit in die Ecke gedrängt hat,
dass er das alles einsieht, könnte er versuchen, sein erstes Argument durch
einen Zirkelschluss zu begründen. Wenn er zum Beispiel sagt: „Das Gute ist eben
gut“ oder „Das Moralische ist gut, weil die Handlungen gut sind“. Und so
weiter. Natürlich alles keine gültigen Argumente.
Deshalb hat Pyrrhon von
Elis damals felsenfest an seiner Urteilsenthaltung festgehalten. Er war auch
übrigens ein sehr radikaler Mann, was das anging: Man sagt, er solle mehrmals versucht
haben, sich in eine Schlucht zu stürzen oder einem Wagen nicht ausgewichen
seien, um zu beweisen, wie ernst er es gemeint hat. Seine Schüler haben ihn
dann oft gerettet. Wobei man so radikal natürlich nicht sein muss.
Endstand
Fassen wir kurz zusammen.
Ich habe euch jetzt 4 wesentliche skeptische Ansätze vorgestellt. Zuerst den
Protagoras, der gemeint hat, dass wir eigentlich keine objektiven Wahrheiten
herausfinden können. Immerhin denken wir alle mit unserem eigenen Kopf und
sehen mit den eigenen Augen. Und selbst wissenschaftliche Erkenntnisse, die
objektiv scheinen, sind am Ende ideologisch und kommen sehr auf die forschende
Person an. Deshalb kann man nur die subjektiven Wahrnehmungen der jeweiligen
Personen als wahr anerkennen. Und das auch nur relativ zu ihnen, nicht
objektiv.
Dazu hat auch Sokrates‘ Ausspruch vor Gericht gepasst: „Ich weiß, dass ich
nicht weiß“. Er wollte damit aussagen, dass er nach all seinen Jahren, die er
damit verbracht hat, die Menschen Athens zu befragen, zu dieser einen
Konklusion gekommen ist: Dass sein Wissen eigentlich unbedeutend und
unvollständig ist. Die großen Fragen über den Sinn und das Gute vermag niemand
konkret zu beantworten, aber im Unterschied zum Rest der Menschheit ist ihm
zumindest das klar. Hier heißt es also auch, dass man die tatsächlichen
Wahrheiten nicht finden kann.
Genau das testet über 1000 Jahre später der Philosoph René Descartes. Und er
findet tatsächlich eine einzige Wahrheit, die jeder einzelnen Person ohne
Zweifel klar ist: Dass man jeweils selbst existiert. Das lässt sich eben nicht
bezweifeln, weil man existieren muss, um zu zweifeln. Hier haben wir also unsere
eine zweifellose Wahrheit: Cogito ergo sum.
Aber geprüfte Wahrheiten hin oder her, diese Fragestellungen sind eigentlich
nicht im Sinne des echten Skeptizismus. Die pyrrhonische Skepsis, die älteste
skeptische Strömung der antike, geht einen ganz anderen Weg. Die bisherigen
Philosophen schienen nicht wirklich der Meinung gewesen zu sein, dass es keine
Wahrheit gibt, sondern haben einfach eigene Erklärungen gesucht: Das subjektive
ist die Wahrheit, wir können die Wahrheit nicht erkennen, wir können sicher
wissen, dass wir existieren. Aber die Skepsis soll kein Sprungbrett für
Dogmatiker sein, sondern ein tatsächliches Zweifeln. Denn wenn man es sehr eng
sieht, kann man keiner Aussage wirklich zustimmen, ohne ein Gegenargument zu
ignorieren. Und wir wollen es sehr eng sehen, wir sind ja Philosoph*innen!
Deshalb sollten wir diese Versuche einstellen, uns jedes Urteils enthalten und
so zur Seelenruhe gelangen.
Konklusion
So, was machen wir jetzt
daraus? Ich denke, der Skeptizismus ist eine philosophische Richtung, auf die
man sich erstmal einlassen muss. Sie wirkt zunächst vielleicht etwas albern: Es
soll wirklich alles anzweifelbar sein? Selbst mathematische Wahrheiten und
physikalische Erkenntnisse? Aber ich denke, wenn man sich einmal darauf
einlässt, erkennt man den Sinn darin. Wir wissen deutlich, deutlich weniger,
als wir denken. Pyrrhon von Elis mag wie ein Wahnsinniger wirken. Aber
vielleicht es vernünftiger, von den ganzen komplizierten Fragen einmal
abzulassen, die eigenen Grenzen zu erkennen und die Seelenruhe zu genießen.
Ok, und das war es mit der Folge. Lasst es mich gern über einen Kommentar wissen, was ihr denkt! Wenn ihr Blogbeiträge wie diesen lieber hören statt lesen, meinem Instagram folgen, mich erreichen oder etwas spenden wollt, finde ihr alle Links dazu in meinem Linktree.
So, dann euch noch einen schönen Tag!
Quellen
,,Antike Griechische Philosophie" - Perfrancesco Basile
,,Protagoras" - Platon
,,Die Apologie des Sokrates" - Platon
,,Meditationen über die erste Philosophie" - René Descartes
,,Grundriss der pyrrhonischen Skepsis" - Sextus Empiricus
Kommentare
Kommentar veröffentlichen