#39 Wer waren die Stoiker?
Zusammenfassung
Habt ihr schon einmal von den „Stoikern“ gehört? Vielleicht kennt ihr sie nicht beim Namen, aber wenn ihr einmal einen philosophischen Motivationsspruch gehört habt, kennt ihr sie sicher! „Herausforderungen mit einem ruhigen Kopf entgegenzutreten, nimmt dem Unglück Kraft und Boden“. „Es gibt nur einen Weg zum Glück: aufzuhören, sich über Dinge Gedanken zu machen, die außerhalb der eigenen Macht liegen“. Und so weiter. Woher genau kommen diese Sprüche alle? Und gibt es eine gemeinsame Philosophie dahinter? Allerdings! Die Stoiker fordern ein affektfreies, komplett vernünftig geführtes Leben. Wie funktioniert das? Und ist das eine gute Idee? Zur Beantwortung dieser Fragen stelle ich euch in dieser Folge den Stoizismus vor. Hallo zusammen und herzlich willkommen zurück zu einer weiteren Folge von „Philosophie für zwischendurch“!
Voranmerkung
Das hier ist die letzte
Folge vor Weihnachten und dem neuen Jahr! Und deshalb möchte ich mich bei euch
gleich zu Beginn für ein tolles 2022 bedanken! So richtig los ging es mit den
Zahlen auf diesem Podcast tatsächlich erst im Januar, 3 Monate nach Erstellung.
Und deswegen ist 2022 für mich definitiv das Podcast-Jahr. Vor allem, weil ich
ihn dieses ganze Jahr lang hindurch betrieben hab. Die erste Folge im Januar
war auch die erste, in der ich keine Zettel an die Wand gehängt hab. Seit dem
Beginn dieses Jahres habe ich dasselbe Muster der Erstellung von Folgen, das
inzwischen echt gut für mich funktioniert! Und auch andere Neuerungen kommen
aus diesem Jahr: Die Erweiterung auf mehr Plattformen außer Spotify und Google
Podcasts, die neue Podcastmail, der Instagram-Kanal, die Präsenz auf TikTok und
mein PayPal! Es ist echt viel passiert dieses Jahr. Und das alles natürlich
dank euch! Es ist sehr motivierend, immer wieder zu sehen, wie viele Leute mir
zuhören und etwas mitnehmen. Und deshalb vielen Dank und schon einmal eine
schöne Weihnachtszeit und ein frohes neues Jahr!
Einleitung
So, aber was machen wir
heute? Heute geht es um eine philosophische Strömung, die mir in letzter Zeit
oft begegnet ist. Jedes Mal, wenn ich auf Instagram gegangen bin, wurde ich
davon regelrecht überflutet! Ich rede von der Stoa. Stoische Aussprüche sind unter
den philosophischen extrem beliebt. Es gibt ganze Kanäle, die nur Zitate von
Stoikern senden. Denn sie sind kurz, knapp, verständlich und motivierend. Es
gibt da zum Beispiel den folgenden Ausspruch: „Es gibt nur einen Weg zum Glück:
Aufzuhören, sich über Dinge Gedanken zu machen, die außerhalb der eigenen Macht
liegen.“ Und von dem Stil gibt es da sehr viel Material. Ich würde sagen, dass
ein großer Teil aller philosophischer Sprüche, die man so sieht, von Stoikern
sind. Besonders, wenn es so kurze und simple sind. Doch was hat es mit dieser
Strömung auf sich? Davon will ich euch heute ein bisschen erzählen, in einer
etwas kürzeren Folge wahrscheinlich. Genau wie die Stoiker selbst sind Erzählungen
von ihnen direkt, rational und kurz.
Die Stoa
Wie schon gesagt, ist die
Stoa eine philosophische Strömung aus der Zeit der antiken Griechen. Die
entsprechende Akademie wurde in der hellenistischen Zeit gegründet. Sie ging von
323 v. Chr. – 30 v. Chr., also ungefähr 300 Jahre lang. Damit kam die Stoa auch
nach Sokrates, Platon, Aristoteles und Alexander dem Großen. Neben ihr entstand
die Schule der Epikureer und der Skeptiker. Und diese 3 Schulen standen sich
eigentlich die ganze Zeit gegenüber. Vor allem deshalb, weil sie sich alle sehr
ähnlich waren. Ihr Hauptmerkmal war eine streng praktische Ausrichtung. Sie
alle hatten die Ethik und das gute Leben deutlich mehr im Fokus als die
theoretische Philosophie. Das Praktische war zu der Zeit einfach deutlich populärer
und gefragter. Nach den Stoikern ist die Philosophie die Weisheit über die
menschlichen und göttlichen Dinge, die Nutzen bringen soll.
Es gab nach dem damaligen Denken drei wesentliche philosophische, also im
heutigen Sinne wissenschaftliche Disziplinen: Logik, Physik und Ethik. Die
Logik war damals deutlich weiter gefasst als heute: Zu ihr gehörte die formale
Logik, aber auch die Sprach-/ und Erkenntnisphilosophie. Auch der Begriff der
Physik war nicht nur naturwissenschaftlich. Neben der Naturphilosophie gehörten
dazu auch die Metaphysik und die Theologie. Und dann gab es eben die Ethik mit
der politischen Philosophie, der Gesellschaftsphilosophie und der Philosophie
des Rechts. Die Stoiker meinten immer, die Ethik sei wie die Frucht am
Obstbaum. Die Physik sei dieser Baum und die Logik eine Mauer davor. Und
natürlich will man weder den Baum noch die Mauer. Aber beides muss man
verstehen und überwinden, um zur Frucht zu kommen. Für die Stoiker war jede
Wahrheit der Welt nur dazu da, einem ein gutes Leben zu ermöglichen. Und auch
sonst hatten sie keine großen Ansprüche an die Welt. Es geht in ihrer
Philosophie nicht darum, gesellschaftliche, politische oder weltliche Umstände
zu ändern. Wie man es vielleicht bei einigen Teilbereichen der Ethik denken
könnte. Sie haben noch nicht einmal wirklichen Wert darauf gelegt, die Welt
komplett zu erfassen. Es ging ihnen vor allem darum, einfach in ihr zu leben
und sich anzupassen. Die Stoiker waren der Meinung, dass man mit der eigenen
Vernunft schon alle Instrumente zu einem guten Leben hat.
Gründer dieser Schule war ein gewisser Zeno von Citium, was im heutigen Zypern
liegt. Er hat wohl von 333 v. Chr. bis 262 v. Chr. gelebt und viele Vorlesungen
in einer Markthalle Athens gehalten. Und die wurde dann später zur
Akademie der Stoa umgestaltet. Zenos Grundüberzeugung war, dass alle Menschen
sich von falschen Wertsetzungen vollständig befreien könnten. Und diese
Vorstellungen sind eigentlich alles, was zwischen ihnen und einem guten Leben
steht. Mit der richtigen Einstellung und Herangehensweise, so Zeno, wäre das
Leben in jedem Fall gut genug. Im Mittelpunkt steht bei den Stoikern das
sogenannte „einstimmige“ Leben. Das Wollen soll komplett mit dem Können
übereinstimmen. Man braucht auf jeden Fall Ziele, um Glück zu erreichen und
soll sie sich auch weiterhin setzen. Aber dabei soll man darauf achten, dass
man sich nur Dinge vornimmt, von denen man weiß, dass man sie auch realistisch
erreichen kann. Das innere Gleichgewicht zwischen dem Wollen und dem Können
macht nach den Stoikern das gesamte Lebensglück aus. Man ist nämlich
unglücklich, wenn man die eigenen Ziele nicht erreicht. Die ganze Spannung des
Strebens wirft uns immer auf etwas hin, sobald wir es im Auge haben. Und dieser
Zustand ist stressig und wird nicht beendet, wenn wir nicht ankommen. Schuld
daran sind die Affekte und Emotionen. Sie übermotivieren uns und führen teils
zu irrationalen Wünschen. Die Glückseligkeit liegt nun darin, diesen Zustand zu
vermeiden. Um zu können, was wir wollen, müssen wir wollen, was wir können. Wir
müssen ein komplett rationales und überlegtes Leben führen. Jeder Affekt soll
beherrscht werden und wir sollen immer nur das tun, was wir uns davor gründlich
überlegt haben. Und das ist dann am Ende das ideale Leben für die Stoiker:
affektfrei und vernunftbestimmt. Quasi im Sinne des Wortes „stoisch“.
Rationalisierung des
Lebens
Aber wie genau
funktioniert das? Kann man seine Affekte überhaupt kontrollieren? Die Stoiker
sagen, dass diese Möglichkeit in jeder menschlichen Handlung liegt. Jedes
vernunftbegabte Wesen hat vor einer Handlung zunächst eine Vorstellung davon,
was es tun will. Man hat ein Bild davon, was man tut und wofür es gut sein
könnte. Dadurch wird dann der Trieb erweckt, zu handeln. Man hat Lust darauf
und will anfangen. Aber dieser Trieb wird nicht unmittelbar umgesetzt. Zumindest
nicht bei uns Menschen. Denn davor muss noch die Vernunft, der sogenannte
Logos, seine Zustimmung erteilen. Und erst wenn er das tut, handeln wir. Nehmen
wir das Beispiel vom Spazierengehen. Man überlegt sich, wie es sein könnte,
wenn man kurz rausgeht, frische Luft schnappt und den Kopf freibekommt. Das
klingt ziemlich gut, also springt der Körper an und man bekommt Lust auf diesen
Spaziergang. Und wenn man dann rational ausschließt, dass man dadurch krank
werden könnte oder sonst etwas dagegenspricht, dann geht man los. Und dieser
letzte Schritt ist eben der entscheidende. Denn er zeigt, dass man diesen
ganzen Prozess steuern kann. Hier setzt die Vernunft ein, die komplett von
unserem Kopf ausgeht und nicht dem Körper oder Affekten. Und damit haben wir
die Gewalt über all unser Handeln und die letzten Zwecke. Wenn wir sie also
immer so steuern, dass sie gut für uns sind, müsste ein gutes Leben dabei
herauskommen. Aber durch diese Macht kann man natürlich auch Gefahr laufen, von
falschem und schädlichem Handeln regiert zu werden. Zum Beispiel könnte man zu
dem falschen Schluss kommen, dass Geld an sich ein Gut ist. Dann würde man
anfangen, danach zu streben. Man würde viel arbeiten und leisten, aber keinen
Frieden erreichen. Dann löst sich das Spannungsfeld nicht und man nimmt sich
immer mehr vor, bis man die Sachen schon gar nicht mehr erreichen kann und
alles auseinanderfällt. Dabei war von vornherein die falsche Zielsetzung
schuld: Denn nach den Stoikern ist Geld kein Gut an sich. Ob man das aber
später einsieht oder nicht, macht oft keinen Unterschied. Denn der Affekt ist
entfesselt und bringt die Seele zum Zappeln.
Die Affekte
Die Stoiker sagen, dass
es 4 wesentliche Affekte gibt: Lust, Unlust, Begierde und Furcht. Die Lust
entsteht über die Einbildung eines gegenwärtigen Guts. Die Unlust über ein
Übel. Die Begierde richtet sich auch ein Gut, aber in der Zukunft und die
Furcht wieder auf ein Übel. Ergibt auch Sinn: Man hat Lust, ein Eis zu essen,
das gerade vor einem liegt, weil man sich für den Moment ein gutes Gefühl davon
verspricht. Man hat Unlust oder keine Lust, in die Uni zu gehen, weil man für
den Moment keinen Spaß darin sieht. Habe ich gehört. Was Weihnachten angeht,
hat man vielleicht Vorfreude, weil man ein gewisses Geschenk in der Zukunft
erwartet. Naja und man könnte sich vor einer Klausur fürchten, weil man sich
ausrechnet, dass sie von viel Stress begleitet sein wird.
Das Problem ist jetzt aber, dass das alles unreflektierte Affekte sind. Lust,
Begierde oder Furcht, das sind alles Dinge, die unmittelbar kommen. Ihr denkt
nicht lang über etwas nach und habt dann plötzlich Furcht, sondern sie kommt
oder sie kommt nicht. Das ist für den Stoiker natürlich undenkbar. Und so gibt
es vernünftige Alternativen, die man stattdessen empfinden sollte. Zum Beispiel
die Freude über Güter aus der Gegenwart. Wenn man sich richtig über
etwas freut, hat man es reflektiert und versteht es eher, als wenn man nur
einfach Lust empfindet. Bei der Unlust gibt es keine Alternative, weil die Stoa
einen natürlich davon wegbringen will, spontane schlechte Situationen zu haben.
Aber für die Zukunft sollte man statt Begierde lieber einen Willen verspüren.
Auch der ist reflektierter, vernünftiger und damit echter. Und wenn man
tatsächlich denkt, dass ein Übel kommt, ist Vorsicht deutlich besser als
Furcht. Wenn man vorsichtig ist, hat man die Gefahr vor Augen und schon einen
Plan. Man wird aber nicht von ihr gelähmt. Furcht dagegen ist sehr
unreflektiert.
Man sieht hier ein deutliches Muster. Zwischen jeder Handlung und der Emotion
steht die Vernunft. Wir selbst können steuern, ob wir uns vor etwas fürchten
oder vorsichtig sind. Ob wir Lust auf etwas haben oder uns darüber freuen.
Diese ganze Entwicklung ist aber nicht unsere Schuld, sagen die Stoiker. Es ist
wahr, dass es nicht einfach ist, immer Vernunft walten zu lassen. Und wir
müssen uns diese Weisheit auch antrainieren. Man gerät aber schon bei der
Geburt durch die Außenwelt und Mitmenschen auf Abwege. Man merkt nämlich sehr
schnell, dass gewisse Dinge Lustgefühle erwecken und andere Schmerzen
verursachen. Daher glaubt man, man sollte eben diesen Dingen hinterherjagen und
die anderen meiden. Aber natürlich kommt die Lust nicht von den Dingen,
sondern von einem selbst. Durch die richtige Einstellung und
Lebensführung. Wenn wir die Leiden, die wir haben mögen, als unwichtig
anerkennen und optimistisch sind, machen wir uns das Leben deutlich einfacher.
Dann müssen wir auch nicht ständig hinter Gegenständen kurzfristiger Lust
herjagen.
Das richtige Leben
Aber wenn man es
geschafft hat, alle seine Affekte zu beherrschen, lebt man richtig und gut. Man
ist dann auch ein besserer Mensch. Denn die wichtigste Tugend der Stoiker ist
die Einsicht. So kann man nie von Affekten beeinflusst werden, sondern handelt
nur logisch und moralisch. Klar: Wenn man weiß, was moralisch ist und den
Körper unter Kontrolle hat, steht dem nichts entgegen. Diese Einsicht ist das
Wissen um die wahren Wertverhältnisse der Dinge. Zu wissen, was wirklich
wichtig ist. Und das ist alles, was man zum guten Leben braucht.
Aber natürlich heißt das nicht, dass man nie wieder etwas anderes tun darf.
Klar braucht man Geld und Gesundheit. Selbst wenn das allein nicht zu einem
guten Leben führt, muss man ja auch überleben! Solche Handlungen sind in
der Stoa sogenannte „Adiaphora“, oder „gleichgültige“ Handlungen. Es ist nicht
falsch oder unvernünftig, Geld zu verdienen, es ist nur einfach im Großen und
Ganzen nicht relevant. Und zu der Kategorie gehören viele Dinge: Eigentlich ist
fast alles, was wir tun, gleichgültig. Aber man darf es schon machen. Nur soll
man eben wissen, dass es nicht zum Lebensglück führt. Dass ein gutes Leben
nicht einfach von Geld oder Macht abhängt. In moderneren Worten: Man braucht
eben das richtige Mindset. Und dafür ist das Wissen um die Gleichgültigkeit sogar
ziemlich wichtig. Denn sonst lässt man sich von irgendwelchen unbedeutenden
Misserfolgen herunterziehen und verfolgt falsche Ziele. Wenn man darüber steht,
lebt man das stoische, gelassene Leben. Man nimmt am Leben teil und akzeptiert
die Welt, wie sie ist. Anstatt sich zu widersetzen und Dinge zu versuchen, auf
die man sowieso keine Auswirkung hat. Niemand von uns kann etwas dagegen tun,
dass sich die Welt dreht, dass wir alt werden und sterben. Aber wie wir das
finden, darüber haben wir die komplette Kontrolle.
Theoretische stoische
Philosophie
Gut, so viel erstmal
dazu. Bevor wir jetzt diese Erkenntnisse zusammenfassen, möchte ich erst noch
ein bisschen über die stoische Theorie sprechen. Es ist nicht viel. Denn sie
waren ja der Meinung, dass nur die Ethik wirklich eine Rolle spielt. In der
Stoa sind Logik und Physik nur dazu da, praktische Erkenntnisse zu untermauern.
Doch ein bisschen gab es trotzdem. Das ist eben wieder der griechische Geist. Man
braucht es nicht unbedingt und man muss auch nicht alles wissen, aber eine
Theorie dazu braucht es trotzdem.
Die Stoiker sagen, dass es keine verlässliche Macht gibt, die jeder Person
ihren Weg zuteilt und bereitlegt. Vielleicht haben die Individuen an die Götter
geglaubt, aber sie spielen hier keine große Rolle. Als Mensch hat man die Möglichkeit
zur Vernunft und muss für den Rest selbst sorgen. Jeder ist da auf sich alleine
gestellt. Und so sieht auch die Welt für jeden anders aus. Man muss sie für
sich selbst erfahren. Das ist also eine eher relativistische Sicht auf die Welt
und die Wahrheit. Aber darauf liegt auch gar nicht der Fokus: Jeder Mensch soll
sich an die Welt anpassen und sich auf sich selbst konzentrieren. Denn wir
haben nicht die Macht über die Welt, sondern nur über uns. Diese Vernunft, bzw.
der Logos ist das Maß aller Dinge. Die Stoa geht so weit zu sagen, dass es das
leitende Prinzip ist. Denn die Welt besteht im Wesentlichen vor allem aus
Stoff. Dieser Stoff bildet Formen, ist überall auf der Welt und liegt mehr oder
weniger passiv da. Der Logos ist es aber, der ihn aufwühlt und etwas Neues
schafft. Ohne den Menschen und damit die Vernunft wäre die Erde nur einfach ein
Haufen Kram, der herumliegt. Deshalb ist die Vernunft so wichtig und überhaupt
das, worauf man sich konzentrieren sollte.
Endstand
So, dann fassen wir jetzt
einmal zusammen. Wer sind diese Stoiker gewesen? Philosophen aus der Stoa,
einer antiken griechischen Akademie. Von Zenon im 3. Jahrhundert vor Christus
gegründet, wurde hier seit jeher eine vor allem praktische Philosophie
unterrichtet. Es ging nicht so sehr um große Erkenntnisse über die Welt,
sondern eher darum, wie man ein gutes Leben führt. Wie tut man das? Die Stoiker
sagen, dass man seine Affekte kontrollieren muss. Denn wenn man nur vernünftig
handelt, kann man moralische und rationale Prinzipien anwenden. Man wird nicht
von Gefühlen hin und hergerissen, sondern steht über dem Leben und schaut
gelassen zu. Es ist vor allem wichtig, dass man sich nichts vornimmt, was man
ohnehin nicht schafft. Wollen und Können müssen im Einklang sein. Das Leben ist
nicht immer einfach und die Welt nicht immer sonderlich nett zu uns. Doch daran
können wir auch nichts ändern. Wir haben sie nicht geschaffen! Wir sind nur
einfach ein paar kleine Menschen mit einem eingeschränkten Machtbereich.
Eigentlich können wir nur über uns selbst bestimmen. Und darauf sollten
wir uns konzentrieren. Der Logos, unsere Vernunft, ist am Ende das Hauptprinzip
der Welt. Wir sind diejenigen, die ein Bewusstsein haben und aktiv am
Leben teilnehmen. Dann sollten wir das auch tun. Emotionen, Affekte, Triebe…
Das ist für Tiere! Wir Menschen sollten vernünftig sein. Die Tugend des Lebens
ist es, den Wert der Dinge zu kennen. Einsicht. Was ist gut? Was braucht man
tatsächlich? Was sollte man tun und was lieber lassen? Und das und nichts
anderes lohnt sich zu tun. Dann ist man ein starker, guter und glücklicher
Mensch. Natürlich verbieten uns die Stoiker nicht, ein normales Leben zu
führen. Klar darf man Geld verdienen und sich irgendwelchen Lüsten hingeben.
Man muss sich aber immer vor Augen halten, dass das nicht das ist, was einen am
Ende glücklich macht. Denn es sind nicht die Lustgegenstände, denen wir
hinterherrennen sollten. Es ist unsere Sicht auf die Dinge, die
entscheidend ist.
Marcus Aurelius
Gut, bevor wir hier
schließen, möchte ich euch noch von einem der letzten klassischen Stoiker
erzählen: Marc Aurel. Oder in seinem römischen Namen: Marcus Aurelius. Ganz
genau, er war kein Grieche. Die Stoa hat nämlich noch weit nach der
hellenistischen Zeit existiert, bis zur Zeit der Römer. Marc Aurel hat von 121
bis 180 nach Christus gelebt und war nicht weniger als ein römischer
Kaiser! Wie man es sich vorstellen kann, wurde die Stoa von den Römern
aufgegriffen. Sie passt auch sehr gut zu diesem pragmatischen Volk. Die Römer
haben sogar noch mehr Wert auf die Ethik gelegt und die Stoa komplett auf ihre
praktische Ausrichtung reduziert. Im Grunde kommen die ganzen Instagram-Sprüche
aus dieser Zeit, quasi der Essenz des Stoizismus. Bekannte Vertreter
waren hier ein befreiter Sklave namens Epiktet oder Epiktetus. Ein Politiker
und Philosoph namens Seneca. Und eben der Kaiser Marc Aurel oder Marcus
Aurelius.
Er hat viele Bücher geschrieben, darunter seine „Selbstbetrachtungen“. Darin
predigt er von der Gelassenheit und Bescheidenheit als Grundzüge eines guten
Lebens. Die Schrift besteht vor allem aus Ratschlägen und Lebensweisheiten. Es
sind kurze Absätze von persönlichen Erfahrungen und Erkenntnissen des römischen
Kaisers. Er sagt, dass man ein rechtmäßiges Leben führen soll, immer auf der
Suche nach neuem Wissen und regiert durch die Vernunft. Man soll sich keinen
großen emotionalen Regungen hingeben. Alle Leiden der Welt können einen am Ende
nicht aufhalten, solange man noch lebt. Und so kann man alles mit Ruhe und
Gelassenheit hinnehmen. Am Ende haben wir sowieso keine Macht über das meiste,
was passiert. Wohlwollend soll man auch sein, nachsichtig mit Laien und
fürsorglich zu Freunden. Vergesst nicht, dass wir hier alle im selben Boot
sitzen. Alle versuchen einfach nur, ein gutes Leben zu führen. Seid nicht
arrogant gegenüber denen, die den richtigen Weg nicht gefunden haben oder ihn
nicht schaffen. Und wenn Leute euch unterstützen, seid dankbar dafür. Überhaupt
soll man für jeden Tag auf der Welt dankbar sein, denn es ist keine
Selbstverständlichkeit.
Wenn man durch das Leben geht, ist die Hauptlektion, die man am Ende
mitgenommen haben muss, das Gute vom Bösen zu unterscheiden. Wenn man durch die
Vernunft regiert ist und alles überblickt, erkennt man auch, dass einem eigentlich
kein Mensch schaden kann. Diese Vernunft, dieser Motor, den kann einem niemand
nehmen. Und alle Angriffe sind nur einfach ihrerseits Zeichen einer schwachen
Vernunft. Man sollte am Ende immer davon absehen, gegen andere Menschen zu
sein: Wir stammen ja doch alle vom selben Himmel ab! Wir sind alle vergänglich,
da lohnt es sich doch nicht, Frust, Ärger und Angst nachzugehen. Man sollte
sich dieser Endlichkeit stellen und ihr zum Trotz leben. Denn auch die
Unendlichkeit ist kein essentielles Gut. Ob man 30 oder 30.000 Jahre lebt: Es
gelten immer dieselben Regeln und man kann genauso unglücklich oder glücklich
sein. Weder ein unendliches Leben noch Reichtümer oder Macht bringen einen
weiter.
Ein gutes Leben ist nur immer nach innen fixiert. Man soll auf sich selbst
schauen, auf die eigene Vernunft und Weltsicht. Denn was andere Menschen wollen
und denken, ist für das eigene Leben nicht relevant. Produktive und
optimistische Gedanken soll man haben. Und wann immer jemand fragt „Was denkst
du gerade?“, soll man eine vernünftige Antwort darauf haben. Am Ende schulden
wir es der Umwelt und uns, nur vernünftig und wohlüberlegt zu handeln. Wir
haben nur eine begrenzte Anzahl von Handlungen in diesem Leben. Und da wäre es
ja schade, einige davon für falsche Ziele und Affekte zu verschwenden.
Ich denke, die Worte des Marc Aurel sprechen für sich. Im Grunde zeigt er hier
die Essenz der stoischen Ethik auf. Ein gutes, vernunftregiertes Leben soll man
führen. Sich nicht mehr vornehmen, als man kann, sich nicht von den Gefühlen
irrationale Handlungen vorschreiben lassen. Nicht die ganze Welt ändern,
sondern zunächst bei sich selbst beginnen. Erst einmal langsam machen und nur
da ansetzen, wo man auch weiß, dass man etwas bewirkt.
Der Geist der Stoiker ist es, klare Anweisungen zu geben, wie man sein Leben
optimal leben soll. Vernunft, Überlegung und Beharrlichkeit sind wichtig,
Emotionen störend. Und deswegen sage ich auch so oft, dass stoische Aussprüche
oft in motivierenden Posts landen. Ich habe hier noch ein paar weitere
Beispiele für euch: „Lass dich nicht von der Zukunft erschrecken“ ist ein
weiteres Zitat von Marc Aurel. Der Sklave Epiktet sagte: „Andere Menschen
können dir nur mit deiner Zustimmung wirklich wehtun. Du bist genau in dem
Moment verletzt, in dem du daran glaubst“. Und Seneca meint: „Herausforderungen
mit einem ruhigen Kopf entgegenzutreten, nimmt dem Unglück Kraft und Boden.“
Alles sehr direkt und simpel, nicht wahr?
Konklusion
Kommen wir also einmal zu
einer Konklusion. Ich glaube, dass man viel von den Stoikern lernen kann. Denn
es ist tatsächlich so: Vieles im Leben ist einfach nur Einstellungssache.
Überlegt euch einmal, was euch im Leben gerade schwierig und schlecht vorkommt.
Seid ihr sicher, dass es wirklich so sein muss? Oder werden die ein oder anderen
Probleme vielleicht kleiner, wenn man anders über sie denkt? Wenn man große
Vorhaben vielleicht doch wieder fallen lässt, weil sie etwas zu weit gehen?
Oder wenn man sich etwas vornimmt, weil man weiß, dass man es kann?
Man kann auch vielen Leiden entgehen, wenn man vor dem Handeln genau überlegt
und nichts affektgesteuert tut. Egal, was es sein mag und wie klein einem die
Handlung vorkommt. Versucht doch einmal, euch immer, bevor ihr etwas tut oder
sagt, genau zu überlegen: „Wieso will ich das gerade?“ Was muss dafür geschehen
und wie viel Energie wird das verbrauchen? Welches Ziel will man damit
erreichen und wie gut ist es tatsächlich? Wie wahrscheinlich ist es, dass man
das schafft?“ Und schon denkt man wie ein Stoiker. Seneca sagte einst: „Was nicht
gesagt werden muss, sollte lieber ungesagt bleiben“ und genau dasselbe gilt
auch für das Handeln.
Dennoch darf man sich nicht zu viele Vorwürfe machen, wenn man nicht immer so
lebt. Es ist eben eine recht anstrengende Lebensweise. Man ist als Mensch einfach
ein emotionales Wesen. Und ganz ehrlich: Das ist auch gut so! Man braucht diese
Affekte ja auch ein Stückweit, um glücklich zu sein. Wir sind ja keine
Maschinen! Ich denke, dass man einen guten Mittelweg zwischen seiner rationalen
und emotionalen Seite finden kann. Und das ist dann auf jeden Fall gut genug!
Wie es die Stoiker auch selbst sagen: Das Wollen und Können muss im Einklang
sein. Also ganz langsam, Schritt für Schritt. Die Welt läuft einem nicht davon
und sie verändert sich auch nicht plötzlich. Wir sitzen immerhin schon seit
über 2000 Jahren vor dieser Philosophie. Man kann zu jeder Zeit immer wieder an
dem eigenen guten Leben arbeiten.
So, und das war meine
kleine Folge über die Stoiker. Ich wurde auf meinem Instagram neulich echt von
ihren Sprüchen überschwemmt, deshalb musste ich dazu einfach eine Folge machen!
Es hat sich auch mal wieder gelohnt! Ich kann zumindest auch hier wieder viel
mitnehmen. Ich hoffe, ihr auch.
Lasst gern einen Kommentar da, was ihr denkt! Wenn ihr übrigens gerne die Blogbeiträge in Audioform hören, mich erreichen oder mir vielleicht sogar eine kleine Spende dalassen wollt, findet ihr alle Links dazu in meinem Linktree.
Ja, und damit sind wir
durch. Ich wünsche euch eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins
neue Jahr! Vielleicht mit etwas überlegteren Handlungen und gezielten Vorhaben.
Aber nur wie ihr wollt und könnt, natürlich. Vielen Dank für ein tolles 2022!
Quellen
„Die Philosophie der
Antike III: Stoa, Epikureismus und Skepsis“ – Malte Hossenfelder
„Selbstbetrachtungen“ –
Marc Aurel
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