#44 Was ist Geschlecht?
Zusammenfassung
Was ist Geschlecht? Das allein ist eine recht kontroverse Frage in der heutigen Zeit. Und zu Recht: Unser Geschlecht ist offenbar unsere Identität, unser Sein ein stückweit. Doch was hat es damit eigentlich auf sich? Wahrscheinlich hört ihr diese Frage öfter aus der Soziologie oder Psychologie. Aber wir möchten uns hier mit der Philosophie einen Überblick über diese Thematik verschaffen und einige Aspekte einmal einordnen. Denn allzu oft sind Debatten über das Geschlecht ideologisch aufgeladen und voller Gefahr, jemanden anzugreifen. Was hat es eigentlich mit dieser uralten Zweiteilung zwischen Mann und Frau an sich? Und warum ist das uns so wichtig? Judith Butler meint, sie wäre eigentlich nichts als menschliche Kreation. Doch kann das sein? Haben wir all diese Jahrhunderte an eine Lüge geglaubt?
Hallo zusammen und
herzlich willkommen zurück zu einer weiteren Folge von „Philosophie für
zwischendurch“!
Einleitung
Ich bin wieder zurück!
Ist wieder eine Weile her. Und ich möchte mich zuerst einmal bei euch für
dieses Jahr bedanken! Für die, die mir auf Instagram folgen, ist das vielleicht
nichts Neues, aber die Zahlen haben sich in 2023 noch einmal deutlich erhöht!
Ich bin euch echt sehr dankbar dafür, dass ihr dieses kleine Projekt immernoch
unterstützt! Hoffentlich konnte ich euch allen ein paar Dinge über die
Philosophie auf den Weg geben und meine Lieblingswissenschaft etwas
näherbringen. Ich will mich außerdem bei allen von euch bedanken, die mir
geschrieben haben, ob per Mail, in den Kommentaren oder auf Instagram und mir
ihre Gedanken zu den jeweiligen Folgen mitgeteilt haben. Danke auch für eure
Folgenvorschläge – es tut mir leid, wenn ich noch nicht alle habe machen
können, aber ihr seid nicht vergessen! Auch an alle, die bei den Abstimmungen
mitgemacht und sich meine Posts angeschaut haben: jede Interaktion mit meinem
Content freut mich sehr und ist wichtig! Ein besonderer Dank geht an euch alle
raus, die ihr auf meinem PayPal den ein oder anderen Euro dagelassen habt! Es
werden weiterhin natürlich Folgen kommen, ich habe den Kopf voller Ideen! Wie
euch aber vielleicht aufgefallen ist, ist leider der Upload-Rhythmus in diesem
Jahr etwas zum Erliegen gekommen. Das liegt einfach daran, dass ich sehr viel
zu tun habe momentan – und das bei einem Philosophiestudium, ich weiß! Aber das
hier ist und bleibt meine Leidenschaft und es wird immer noch eine Folge kommen
– auch wenn es manchmal etwas dauern mag. Also, noch einmal vielen Dank für ein
tolles 2023 und auf in die heutige Folge!
Heute habe ich ein
vielleicht etwas kontroverses Thema für euch, das aber auch im entferntesten
Sinne mit Weihnachten als Fest der Liebe zusammenhängt. Ich möchte mit euch
über Geschlecht reden. Besonders in der heutigen Zeit ist das ein schwieriges
Thema, mit dem man wahrscheinlich vorsichtig sein sollte. Eigentlich ist es
auch etwas, das vor allem in der Soziologie diskutiert wird. Der Vorteil der
Philosophie ist es aber, einen etwas entfernteren Blick von außen zu haben. Und
mir scheint es, dass der hier benötigt wird. Wir steigen daher nicht in
irgendwelche spezifischen aktuellen Debatten ein, sondern verschaffen uns erst
einmal einen Blick über die Lage. Welche von diesen Debatten lohnt es sich
überhaupt, zu führen? Vielleicht reden wir bei Diskussionen über Problematiken
in Bezug auf das Geschlecht immer wieder an den eigentlichen Problemen vorbei.
Die Philosophie ist kein Problemlöser, aber ist in solchen Situationen immer
gut dazu, ein bisschen Klarheit zu schaffen. Zumindest, wenn man es richtig
macht – da bin ich natürlich nicht fehlerfrei. Fangen wir also ganz basal an: Was
ist Geschlecht?
Wir können mit einem Fakt anfangen, der eigentlich die ganze Problematik schon
zu Beginn aufzeigt: Das Deutsche hat einen Begriff für das Geschlecht,
das Englische zwei. Wenn wir eine Person sehen, die wir als „Frau“
bezeichnen, ist das, in der populären Meinung, eine Person mit bestimmten
körperlichen Merkmalen wie einer Gebärmutter und bestimmten charakterlichen
Assoziationen. Wir haben, zumindest gehen wir davon aus, eine ungefähre Idee
davon, wie sich eine als „Frau“ bezeichnete Person verhält und was ihre Stärken
und Schwächen sein könnten. Das ist allgemein als das „Geschlecht“ einer Person
bekannt.
Im Englischen jedoch gibt es die Begriffe „Sex“ und „Gender“, die beide mit
Aspekten unseres Geschlechtsbegriffs zusammenpassen. Sex auf der einen Seite
ist das biologische Geschlecht, das bei der Geburt recht simpel im Hinblick auf
die Geschlechtsorgane festgestellt wird. Der Gender hingegen ist das soziale
Geschlecht, bei dem es komplizierter wird: Er umfasst all die Anforderungen und
Assoziationen, die wir mit dem einen oder anderen Geschlecht verbinden. Doch
bereits, wenn ich „ein“ oder „anderes“ Geschlecht sage, gibt es wahrscheinlich
schon Proteste. Wir scheinen in weiten Teilen der Welt schon sehr lange nur
zwischen zwei Typen von Menschen zu unterscheiden, nämlich Männern und Frauen.
Das ist unser binäres System. Und je nachdem, welche Geschlechtsausprägung
jemand hat, erziehen wir diese Person auf die eine oder andere Weise. Aber: Wie
ausschlaggebend ist es, ob jemand einen Penis oder eine Gebärmutter hat? Welche
Rollenerwartungen gibt es und was genau haben sie damit zu tun? Was ist, wenn
eine Person nicht zu den Rollenerwartungen passt, die ihr zugeteilt werden? Das
Konzept von Geschlecht scheint weit komplizierter zu sein, als man so annehmen
könnte.
Die drei Geschlechter der
Antike
Fangen wir also einmal
ganz weit hinten an. Was war die Sicht der antiken Griechen auf das Geschlecht?
Die Gesellschaft dieser Zeit kann man in dem Punkt nicht wirklich schönreden.
Frauen waren von fast allen Berufen, dem öffentlichen Leben und der Politik zum
Großteil ausgeschlossen. Da zudem Homosexualität unter Männern zu dieser Zeit
sehr weit verbreitet war, wurde Frauen sogar ihre Rolle in der Liebe
abgesprochen. Wenn wir aber auf die Philosophie schauen, sehen wir ein paar
andere Perspektiven. Deshalb möchte ich mit euch über das „Symposion“ von
Platon reden, in dem es um die Liebe geht. So fügt sich alles zusammen, nicht
wahr? Im Weihnachten vor 2 Jahren ging es um diesen Dialog im Hinblick auf die
Liebe. Heute aber wollen wir nur einen Redner betrachten: den Komödianten
Aristophanes. In seinem Beitrag zur Liebe ist von drei Geschlechtern die Rede:
Dem männlichen, weiblichen und androgynen. Dieses androgyne, dritte Geschlecht
klingt ein bisschen wie eine Neuerung, aber es ist weit weniger modern, als es
klingen mag. Es ist keine Kategorie für Menschen, die sich keinem der beiden
Geschlechter zugehörig fühlen oder so. Androgyn sind bei den Griechen eher
göttliche Gestalten oder mystische Mischwesen. Menschen wurden eigentlich nicht
als androgyn bezeichnet, es sei denn, sie hatten durch einen sehr speziellen Umstand
sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsmerkmale. Wahrscheinlich wurden
solche Leute aber dann auch wieder wie Fabelwesen oder Monster behandelt. Man
kannte noch nicht einmal den Begriff „Gender“. Natürlich gab es bereits
geschlechtsspezifische Rollen, aber dabei wurde sich weniger gedacht. Die
Einteilung in Mann und Frau ist ganz stupide über die Geschlechtsmerkmale
erfolgt.
Gut, aber was hat es
jetzt mit Aristophanes auf sich? In der Runde des Symposion, einem griechischen
Trinkgelage, hält der Komödiant etwa in der Mitte seine Rede über die Liebe.
Statt wie die anderen Philosophen Lobgesänge auf sie anzustimmen oder sie sonst
zu analysieren, erzählt Aristophanes eine Sage über die Menschen aus alter
Zeit. Sie sollen damals ganz anders ausgesehen haben als heute, mit der
doppelten Anzahl an Gliedmaßen. Sie hatten zwei Köpfe, vier Arme, vier Beine
und vier Augen – eben so, als hätte man zwei Menschen aneinandergeschweißt. Wenn
man sich vorstellt, man würde zwei Menschen kombinieren, würde wirklich ein
sehr mächtiges Wesen dabei herauskommen. Sie waren nämlich nicht nur schneller
durch ihre Vielzahl an Beinen, sondern besaßen ja auch zwei Gehirne, obwohl
eines schon sehr leistungsfähig ist. Ihre vier Arme verhalfen ihnen dazu, sogar
noch mehr gleichzeitig zu machen und durch ihre doppelten Sinnesorgane konnten
sie die Welt umso besser wahrnehmen. Sie kannten noch keine Fortpflanzung, denn
sie waren unsterblich. Da sie über beide Geschlechtsmerkmale verfügten, waren
sie darüber hinaus androgyn. So war es um diese Wesen bestellt und da sie so
mächtig waren, missachteten sie sogar die Götter und trachteten um deren Platz
auf dem Olymp.
Nun, wenn man die
griechischen Sagen kennt, weiß man, dass es quasi vorbei für jedes Wesen ist,
sobald es nicht im Sinne der Götter handelt. Und so war es auch hier: Zeus, der
antike griechische Hauptgott, war sehr erzürnt über diese Entwicklung und schickte
eines Tages aus lauter Wut Blitze auf die Wesen hinab. Und diese Blitze teilten
sie jeweils einmal in der Mitte entzwei. Danach setzte ihnen Apollon noch die
Geschlechtsteile nach vorn und so entstand der Mensch, wie wir ihn heute
kennen. Was war der Effekt dieser Verwandlung? Zunächst war die Macht der
Kugelwesen erfolgreich halbiert. Nur noch ein Kopf, zwei Arme und zwei Beine.
Unsterblich waren sie auch nicht mehr, weil ihnen ihr androgynes Geschlecht
zerteilt worden war. Aber sie hatten nicht alles verloren: jedes Mal, wenn sich
jeweils ein Wesen mit Penis und eines mit Vagina umklammerten, berührten sich
ihre Geschlechtsteile und sorgten für eine Befriedigung und Zeugung. Danach
konnten die Wesen wieder an die Arbeit gehen, ihr eigenes Leben aufbauen und
den Göttern Opfer bringen. Der Mensch war quasi wieder unsterblich, ohne jedoch
den Göttern zu trotzen.
Eine lustige Geschichte,
oder? In dem Dialog hatte sie eine etwas andere Rolle, als wir ihr in dieser
Folge geben wollen, aber schauen wir doch einmal, was Aristophanes‘ Sage für
das Geschlecht hergibt. Zuerst einmal sehen wir, dass hier die altbekannte binäre
Geschlechtereinteilung ganz deutlich durchkommt. Früher gab es androgyne Wesen,
die beide Geschlechtsteile hatten und wurden dann in Männer mit den
einen Merkmalen und Frauen mit den anderen gespalten. Das ist ein Fakt, der am
Tisch auch nicht weiter hinterfragt oder bestritten wird. Und so ist es auch
heute noch: Je nach Geschlechtsmerkmal wird eine Person bei der Geburt den
Frauen oder Männern zugeordnet.
Was aber auffällt: In der Sage gibt es keine Abstufung zwischen Mann und Frau.
Es wird sogar explizit erwähnt, dass beide genau die Hälfte des alten
androgynen Wesens sind. Sie sind also auf einer Ebene. Es zeigt sich, dass auf
einer rein biologischen Basis eine Ungleichbehandlung der Geschlechter Unsinn wäre.
Natürlich werden wir uns der sozialen Ebene auch noch widmen.
Während die Sage also keine Anzeichen einer Hierarchie zwischen Mann und Frau
erkennen lässt, zeigt sie sehr wohl auf, wieso es den Unterscheid zwischen
ihnen gibt: aufgrund ihrer Biologie. Es ist komplett notwendig, Menschen nach
ihren Geschlechtsteilen zu sortieren, damit sich genau die richtigen Personen
zusammentun und unseren Fortbestand sichern. Über die gesellschaftliche Ebene
ist nichts gesagt, aber rein biologisch ist das absolut notwendig. Geschlecht
ist somit eine rein biologische, binäre Kategorie.
Aber das sind doch
eigentlich gute Neuigkeiten, oder? Warum? Naja, wenn die Geschlechterkategorie
rein biologisch ist, dann muss sie uns doch gar nicht so sehr interessieren!
Klar, wir brauchen sie zur Fortpflanzung, aber es dreht sich doch nicht unser
ganzes Leben darum! Theoretisch. Wir haben einen Alltag, der sich doch vor
allem eigenen Hobbys, der Arbeit und Freunden widmet! Gesellschaft, Wissenschaft,
Politik – was brauchen wir da die Fortpflanzung? Wäre es nicht eine Idee, nur immer
kurz zu schauen, wer welchem Geschlecht angehört und sonst diese Einteilung
fallen zu lassen? Denn sonst wären wir ja nicht anders als die anderen Tiere!
Und nennt man uns nicht das vernünftige Tier?
Was ist eine Frau?
Irgendwie scheint es aber
doch so zu sein, dass diese Geschlechterkategorien für uns eine Rolle spielen.
Bevor wir uns weiter dem „Warum“ zuwenden, sollten wir vielleicht erst einmal
fragen, was es eigentlich mit diesen Kategorien genau auf sich hat. Wir haben
jetzt gesagt, dass im Allgemeinen eine Trennung zwischen dem Geschlecht der
Frauen und der Männer besteht. Also schauen wir uns doch einmal eines davon
genauer an, in diesem Fall, das der Frau. Was ist eine Frau eigentlich? Dieser
Frage ist die Philosophin Simone de Beauvoir nachgegangen. Und auch für dieses
Kapitel bleiben wir einmal im binären System.
De Beauvoir stellt fest,
dass es schon sehr lange eine klare Hierarchie zwischen Geschlechtern gibt. Und
das ist eigentlich merkwürdig, oder? Denn nach der bisher gehörten Sage gibt es
dafür gar kein biologisches Fundament. Dennoch ist der Begriff des Männlichen
auch heute noch deutlich positiver Konnotiert als der des Weiblichen.
„Männlichkeit“ beschreibt vor allem Eigenschaften wie Mut, Ehre und Stärke.
Unter „Weiblichkeit“ versteht man eher Feigheit oder Schwäche. Dieser
Hierarchiegedanke durchzieht die gesamte Gesellschaft. Nicht zuletzt in der
Philosophie selbst, die immer von sich behauptet, wertneutral zu sein, werden
Frauen in Moralphilosophien oft ausgeschlossen oder ontologisch auf eine andere
Stufe gestellt als Männer. Und auch sonst ist diese Unterscheidung überall: Bei
gesellschaftlichen Normen zum Beispiel. Es ist in der Weltgeschichte noch nicht
so lange her, dass Frauen überhaupt selbst arbeiten und Geld haben dürfen. Ganz
zu schweigen vom Wahlrecht. Männer dagegen konnten bereits seit es die Demokratie
gibt, wählen – und das ist fast 3000 Jahre her!
Simone de Beauvoir fährt
fort und sagt, dass diese Andersbehandlungen oft biologisch erklärt werden. So
werden Beispiele aus der Tierwelt gesucht, die belegen sollen, dass Männer die
moralisch besseren Menschen wären. Denken wir an Termitenköniginnen, die die
männlichen Vertreter dieser Tierart unterwerfen, weibliche Spinnen, die die Männchen
nach dem Geschlechtsverkehr fressen, Hündinnen, die den Hunden in der Hoffnung
auf Befruchtung ewig hinterherlaufen. Oder, wenn wir es bei moralischen
Unterschieden nicht belassen wollen, schauen wir auf die Stärke: männliche
Löwen haben eine Mähne, sind größer und muskulöser als die Weibchen. Während
sie also jagen und Rivalenkämpfe austragen, ist es die Aufgabe der Weibchen,
auf die Kinder aufzupassen und sich nur in der größten Not, wenn der männliche
Löwe nicht da ist, zu verteidigen. Aus all diesen Beispielen spricht natürlich
auch eine große Unkenntnis vom Tierreich: Tatsächlich jagen und kämpfen
Löwinnen sehr viel mehr und härter, als man ihnen oft zugesteht. Aber das ist
jetzt nicht im Mittelpunkt.
Auf diese Weise werden
jedenfalls gewisse gesellschaftliche Rollenverständnisse erklärt: Denn genau wie
der Löwe jagt und kämpft, hieß es lange, dass nur Männer arbeiten oder in der
Armee sein sollten. Wie die Löwin aber auf die Kinder aufpasst und sie
verteidigt, wurden Frauen in die Rolle der Hausfrau gedrängt, um genau das zu
tun. Oder es wurde behauptet, die Männer seien harte, ehrbare Arbeiter wie die
männlichen Termiten, während die Frauen nichts für ihr Wohl tun würden und die
Männer knechten würden, wie die Königin. Nun, de Beauvoir sagt, dass solche
Rechtfertigungen jeglicher Logik entbehren. Denn das Tierreich ist viel zu groß
und vielfältig, um solche wilden Vergleiche zu ziehen. Wir sind doch keine
Termiten! Oder Spinnen! Allein die Fortpflanzung, die die Trennung in Frau und
Mann ja legitimiert, funktioniert bei diesen Wesen ganz anders! Bakterien
vermehren sich durch Zellteilung, da gibt es schon einmal gar keine
Geschlechter. Andere Tiere legen Eier und obwohl es da auch Ei- und Samenzellen
geben kann, ist das nicht mit der menschlichen Fortpflanzung vergleichbar. Und
was ist mit Tieren wie Seepferdchen, die ihr Geschlecht einfach wechseln
können?
Gut, jetzt wurden auch
Löwen erwähnt, was einen zu der Frage verleiten kann, ob nicht da eine
solide Basis für unsere Vorstellung von Geschlecht existiert. Denn wir als
Menschen sind ja auch Säugetiere. Aber auch da sagt de Beauvoir: Nein, wieso
denn? Wir haben doch nicht, wenn wir eine Löwin sehen, die normative Erwartung,
dass sie auf die Kinder aufpasst! Wir haben ein gewisses Verständnis dafür,
dass es teilweise so läuft im Tierreich, aber wir sind doch nicht enttäuscht,
wenn wir eine Löwin bei der Jagd sehen. Wir sagen ihr doch nicht, sie soll in
die Küche und den Mann jagen lassen. Oder bei Hunden: Macht es für uns einen
normativen Unterschied, ob wir uns eine Hündin oder einen Hund zulegen?
Vielleicht auf einer praktischen Ebene: Wir wollen eher keine Hündin, weil wir
nicht das Risiko haben wollen, dass sie schwanger wird und wir uns dann um die
Welpen kümmern müssen. Aber ihr kauft euch doch nicht deshalb keine
Hündin, weil ihr meint, dass sie moralisch schlecht wäre, oder? Das ergibt
keinen Sinn. Und selbst, wenn man hier noch einmal versuchen sollte, das Ganze
zu rechtfertigen und einwirft, dass uns die normativen Unterschiede nur bei
unserer eigenen Spezies interessieren würden, kann man noch einmal mit unserem
ersten Argument kommen: Eigentlich sollte es uns überhaupt nicht interessieren,
weil wir weit mehr sind als einfach nur unser Fortpflanzungstrieb.
Aber kehren wir zu Simone
de Beauvoir zurück. Das Problem mit diesen Begründungen ist auch, dass sie erst
nach der Behauptung gekommen sind. Heißt: Man nimmt bereits an, dass der
Mann besser sei als die Frau und sucht dann Begründungen dafür. Wie wir schon
von Dingen wie Gottesbeweisen wissen: Das ist keine wirklich naturwissenschaftliche
Methode. Richtige Wissenschaftler*innen fangen von 0 an, ohne Annahmen und
arbeiten sich dann mit Argumenten nach oben. Denn klar: Wenn man bereits fest
davon ausgeht, dass der Mann besser als die Frau ist, findet man sicher schnell
scheinbare Beweise. Vielleicht ist bei der einen Tierart das Weibchen aggressiv
oder bei der anderen zurückhaltend. Da kommt man schnell in einen Zirkelschluss.
Andere Belege wurden bereits als falsch zurückgewiesen. So gab es den Glauben,
der Mann würde dem Kind des Gute und die Schönheit geben, während die Frau es
nur austrägt. „Unsinn!“ sagt die moderne Biologie, die weiß, wie Genetik
funktioniert. Auch gab es lange den Mythos, das Weibliche wäre das passive
Geschlecht und der Mann das aktive – und beides wäre bereits in ihren Genen
festgeschrieben. Komisch, jetzt, wo man sich diese Gene anschauen kann, scheint
es kein Anzeichen davon zu geben..?
Aus dem allen kann man
schließen: Eine Frau ist nicht durch ihre Biologie das, was sie ist. Sie wird
eher zu einer solchen gemacht und genau das ist Simone de Beauvoirs
berühmter Spruch: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, sondern wird dazu
gemacht“. Denn alle Gründe, die zur Rechtfertigung von sozialen Rollenbildern
hervorgebracht werden, führen am Ende in einem Kreis auf die Gesellschaft
zurück. Und so kommt man als Mensch zur Welt und wird anhand eines biologischen
Merkmals unterschiedlich erzogen und erhält eine komplett künstliche,
gesellschaftliche Identität. Männer werden daraufhin gedrillt, dominant zu
sein, während Frauen emotional sein sollen. Und so reproduziert sich das
System, weil diese Männer und Frauen ihre Werte verinnerlichen, nach außen
zeigen und auch ihren Kindern beibringen. Auf der einen Seite will man, dass
das eigene Kind dazupasst, es wird aber auch als richtig angenommen – niemand
will ja wirklich denken, dass man die ganze Zeit nach dem falschen Idealbild
gelebt hätte. Aber es ist alles eine Lüge: Es gibt keine biologische Basis. Und
das Bisschen, was existiert, reicht bei weitem nicht aus, diese ganzen Regeln
und Normen zu rechtfertigen.
Ausbruch aus dem binären
System
Wat nu? Was machen wir
jetzt, da wir das wissen? Denn obwohl dieses System so offensichtlich brüchig
ist, basiert unsere gesamte Gesellschaft darauf. Kaum jemand denkt wirklich
daran, auszubrechen oder daran etwas zu verändern. Die meiste Bewegung gibt es innerhalb
der Geschlechterhierarchie, vor allem mit dem Feminismus. Der Feminismus will
die Rolle der Frau in diesem binären System mit der des Mannes gleichsetzen.
Zurecht, denn es hat allzu lange schon große Ungerechtigkeiten gegeben. Nach
all diesen Jahren ist es endlich an der Zeit, das Geschlecht der Frauen als
gleichwertig zu dem der Männer anzusehen und zu behandeln. Schließlich hat
unsere Untersuchung schon gezeigt, dass es jeden Anlass dazu gibt.
Laut der Philosophin
Judith Butler geht das aber nicht weit genug. Es ist natürlich gut und wichtig,
dass Frauen für ihre Rechte einstehen. Doch sie tun das in einem System, das in
seinem Design hat, gegen sie gerichtet zu sein. Die althergebrachte Zweiteilung
der Geschlechter favorisiert seit Jahrtausenden Männer. Da ist es fast
unmöglich, grundlegend etwas zu verändern. Was der Feminismus braucht, ist kein
Kampf um die Rolle der Frau, sondern einen Kampf um das binäre
Geschlechtersystem. Denn wenn man für sich als Frau kämpft, hat man bereits
halb verloren. Man erkennt bereits die eigene Position in der Gesellschaft an,
zusammen mit allen Konnotationen, die dazugehören mögen. Dabei sind Frauen viel
mehr als einfach nur das: Es sind Menschen mit verschiedenen Seiten,
Fähigkeiten und Eigenschaften. Im Übrigen ist es auch für Männer erniedrigend,
sich einfach nur als Mann zu verstehen, denn auch sie könnten viel mehr
als das sein.
Diese
Geschlechtsidentitäten kommen nämlich deutlich mehr von Menschenhand als
bereits gedacht. Wir hatten es bereits von dieser Unterteilung, aber erst
Butler macht sie richtig populär. Und zwar redet sie beim Geschlecht von „Sex“
und „Gender“. Wenn wir davon reden, dass eine Person das Geschlecht „Frau“ hat,
verbinden wir normalerweise automatisch zwei Dinge miteinander, die eigentlich
gar nicht zusammengehören. Das eine ist eine biologische Kategorie, die an
einer wesentlichen Merkmalsausprägung festgemacht wird. Das andere sind
irgendwelche Rollenerwartungen, die sich der Mensch ausgedacht hat und nur sehr
grob mit Vorstellungen über die Natur zusammenhängen.
Dass der Gender daher menschengemacht ist, haben wir schon besprochen. Der
Grund aber, wieso wir trotzdem daran festgehalten haben, dass es Mann und Frau
gibt, ist der, dass diese biologische Einteilung zu einem gewissen Grad evident
ist. Zur natürlichen Fortpflanzung braucht es Menschen mit Penis und Menschen
mit Gebärmutter. Und niemand würde bestreiten, dass ein gewisser Teil der Menschheit
die eine Ausprägung zeigt und ein anderer die andere - auch Judith Butler
protestiert nicht dagegen.
Aber warum genau machen wir eigentlich da die Abgrenzung? Wir tun so,
als wäre es von vornherein klar und notwendig, dass wir den Unterschied
zwischen den Geschlechtern an den Geschlechtsorganen festmachen, aber wer sagt
das überhaupt? Die Menschen sind schließlich unterschiedlich genug, da könnten
wir auch bei anderen Merkmalen ansetzen. Wir alle wissen, dass viele Frauen
weniger muskulös sind als viele Männer, wäre das ein Ansatzpunkt? Oder was
denken wir von der Lungenkapazität oder dem Herzschlag? Ich weiß, ihr werdet
sagen, dass das unpraktischer ist, als einfach nur nachzuschauen, ob ein Penis
vorhanden ist oder nicht. Fair enough. Aber der Punkt ist doch ein anderer:
Schreibt uns die Natur notwendig vor, genau so eine Einteilung
vorzunehmen? Es gibt auch Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe oder
körperlichen Einschränkungen. Bei denen wird uns schon früh beigebracht, dass
wir sie wie alle andere Menschen behandeln sollen.
Ein häufiges Argument ist
hier das der Triebe: Wir teilen zwischen Mann und Frau ein, weil wir uns
normalerweise zum jeweils anderen Geschlecht hingezogen fühlen und das macht
diese Einteilung instinktiv. Aber was ist mit all den homosexuellen Menschen auf
der Welt? Und wie viel von dieser Vorliebe ist wirklich biologisch? Im alten
Griechenland war Homosexualität die Norm und ich denke nicht, dass die Menschen
damals alle ein gewisses Gen geteilt haben, das jetzt nicht mehr so sehr
verbreitet ist. Judith Butler meint, dass sehr Vieles davon gesellschaftlicher
Einfluss ist, denn man bekommt diese Spannung zwischen Mann und Frau sehr früh
anerzogen. Klar mag es eine gewisse biologische Veranlagung geben, sich
fortpflanzen zu wollen, aber diese Instinkte kommen nicht gegen eine
ordentliche gesellschaftliche Doktrin an.
Und was ist mit unserem Argument der Fortpflanzung? Braucht es diese Einteilung
vielleicht, damit wir als Menschheit weiterbestehen? Naja, naja. Wir haben
nicht wirklich das Problem einer Unterbevölkerung. Vielmehr ist das Gegenteil
der Fall. Außerdem muss Fortpflanzung nicht zwingend mit Liebe zusammenhängen.
Außerdem, wer denkt bei einem Baby schon daran, dass es eines Tages Kinder
bekommt? Man kann diese Einteilung immernoch dann vornehmen, wenn es
geschlechtsreif oder erwachsen ist, davor sollte doch so etwas sowieso nicht
passieren.
Stellen wir uns einmal
vor, man würde die Geschlechtseinteilung an anderer Stelle machen, rein
hypothetisch, dann versteht man Judith Butler vielleicht etwas besser. Sagen
wir, es gäbe gar keine Männer und Frauen, sondern die Menschen würden gemäß
ihres Herzschlages eingeteilt werden. Ob das praktikabel ist oder nicht, lassen
wir einmal außen vor, es geht eher um das Prinzip. Stellen wir uns weiter vor,
es gäbe das Geschlecht A mit einem Ruhepuls zwischen 0 und 50, das Geschlecht B
zwischen 50 und 100 und das Geschlecht C ab 100. Man würde irgendwie
feststellen, welche Menschen in welche Kategorie gehören und sie vielleicht
unterschiedlich erziehen: Die mit niedrigem Ruhepuls zu friedlichen Aktivitäten
und die mit einem höheren zu großen sportlichen Leistungen oder so. Und dadurch
würden ganz natürlich Verhaltensunterschiede zwischen A, B und C entstehen, die
zu Spannungen führen würden. Vielleicht würden sich die As für die Bs
interessieren, nicht aber für die Cs. Dann würden sie sich vielleicht verlieben
und eine normale Beziehung führen. Die Fortpflanzung wäre in dieser
Gesellschaft vielleicht gar nicht so zentral, sondern eher eine Notwendigkeit
für einige, wahrscheinlich wenige Menschen. Sexuelle Befriedigung kann man
schließlich auch mit Personen mit identischen Geschlechtsausprägungen
erreichen. A, B und C wären aber keine biologisch notwendigen Kategorien, wozu
sollte es erheblich sein, welchen Ruhepuls ein Mensch hat? Noch viel weniger
die damit verbundene Erziehung. Aber es ist ein Kategoriensystem wie unseres,
das für Spannungen und Rollenerwartungen sorgt.
Die Wahrheit ist: So
viele Unterschiede gibt es gar nicht zwischen uns Menschen, das eine so groß
angelegte Einteilung gerechtfertigt werden könnte. Der Gender hat nichts mit
dem biologischen Geschlecht zu tun, deshalb haben wir doch so viele Menschen,
die sich eben nicht mit ihrer zugewiesenen Geschlechterrolle identifizieren.
Schocker: Eine Person mit Penis ist nicht unbedingt dominant und aggressiv. Wie
komisch! Doch bei den meisten Menschen gibt es dennoch aufgrund ihres
Geschlechts einen Unterschied zu ihren Mitmenschen. Aber nicht aufgrund ihrer
Biologie, sondern wegen uns: Denn wir stampfen ihnen ihre Verhaltensweisen
regelreicht ein. Es ist das, was Simone de Beauvoir sagte: Man wird nicht als
Frau geboren, sondern dazu gemacht. Deshalb behalten wir diese Kategorien auch
bei, denn sie verleihen den Menschen einen großen Teil ihrer Identität. Und
Menschen beider Geschlechter fühlen sich oft auch wohl darin. Es gibt einem
einen Sinn, ein Idealbild und Zugehörigkeit. Viele Menschen verstehen sich eben
als Männer und Frauen und sehen keinen Grund darin, das zu ändern. Und es ist
auch ok, sich als Mann oder Frau zu identifizieren, ob mit oder ohne dem
dazugehörigen Geschlechtsorgan. Ich bin als Mann geboren und sehe mich zwar
nicht in allen Rollenbeschreibungen, was ein Mann zu sein hat, aber
identifiziere mich mit der allgemeinen männlichen Lebenswelt, nicht aber mit
der weiblichen. Und es wird auch Frauen geben, die sich als weiblich
identifizieren. Wenn man das immer vermittelt bekommt, bleibt es eben haften,
ich wurde jetzt über 20 Jahre als Mann großgezogen. Und solange es da kein
Problem gibt, ist das alles in Ordnung.
Gibt es aber: Frauen
kommen in diesem System schlecht weg und werden auch so erzogen – das ist nicht
ok! Und Menschen, die ihre verliehene Geschlechteridentität nicht beibehalten
wollen, werden gezwungen, das zu tun. Und in dem Augenblick, wo das passiert,
müssen wir uns fragen, wozu wir dieses Geschlechtersystem eigentlich haben. Ist
es eine Ordnung und die Vergabe von Identität und Zugehörigkeit, die wir
wollen? Oder wollen wir die Leute einsperren, an unrealistische Ideale ketten
und unterdrücken? Denn wir haben es in der Hand. Judith Butler sagt, wir
sollten unseren Kindern vermitteln, dass sie weit mehr sind als Frauen und
Männer. Wir sollten sie allgemein nicht einfach nur nach diesem binären System
erziehen, sondern ihnen zeigen, dass sie Menschen sind, wie alle anderen. Und
als solche können sie jeden Beruf toll finden, den sie wollen, jede Kleidung tragen,
die sie mögen und jede Farbe schön finden. Und dann ist es auch egal, wenn eine
Person lieber einem anderen Gender zugehörig sein will, als ihr biologisches
Geschlecht glauben lässt. Es ist doch eh alles nur Spielerei und diese
Kategorien sollen den Menschen doch zu ihrer Identität verhelfen und sie zu
einer Person machen! Wenn jemand eine andere Identität für sich entdeckt hat,
ist das doch schön. Wir sind das vernünftige Tier, keine Männer und Frauen.
Gender und Sex mögen praktische Mittel sein, unsere Gesellschaft einzuteilen,
aber wir dürfen nie vergessen, dass das unsere eigene Sicht auf die Welt
ist, keine objektiven Begriffe. Deshalb sollten wir genau darauf achten, wer
davon profitiert und wer leidet.
Endstand
Ok, was haben wir jetzt alles?
Das ist auf jeden Fall eine lange Folge, es gibt aber auch viel zu sagen.
Also, zuerst haben wir im
antiken Griechenland und ihrer Sicht auf das Geschlecht angefangen. Aus einer
Sage des Aristophanes, bzw. Platon geht hervor, dass schon damals die
altbekannte Aufteilung zwischen Mann und Frau existiert hat. Diese beiden
Geschlechter wurde ausnahmslos an ihrer Biologie festgemacht, das heißt:
Menschen mit einem Penis und Samenzellen wurden den Männern zugeteilt, solche
mit Gebärmuttern und Eizellen den Frauen. Die Sage erzählt davon, dass Männer
und Frauen früher ein einzelnes androgynes und sehr mächtiges Wesen waren. Da
sie aber zu arrogant wurden, bestrafte sie Zeus und nahm ihnen ihre
Unsterblichkeit und einen großen Teil ihrer Macht. Fortan mussten die Menschen
sich als Männer und Frauen zusammentun, um durch die Zeugung einen Anteil an
der Unendlichkeit zu haben. Die geschlechtliche Trennung im biologischen Sinne wurde
hier zwar nicht hinterfragt, es wurden aber keine moralischen oder sonstigen
Unterschiede zwischen Männern und Frauen gemacht. Folglich scheinen beide
Geschlechter in ihrer biologischen Form komplett gleichwertig zu sein.
Sind sie aber leider
nicht gesellschaftlich, wie Simone de Beauvoir uns zeigt. Denn sie macht
deutlich, dass die Frau seit Menschengedenken in der Gesellschaft schlechter
dasteht als der Mann. Sie wird als weniger moralisch und weniger fähig
bezeichnet. Gründe dafür wurden lange überhaupt nicht gesucht und später in der
Natur. Es wurde gesagt, dass männliche Tiere oft die ehrbareren wären, die
härter arbeiten und stärker sind. Die weiblichen Arten wären dagegen faul,
grausam und schwach. Es wurde daher gesagt, dass dementsprechend dem Mann eine
höhere gesellschaftliche Rolle zustünde. Wie de Beauvoir aber ganz richtig
sagt, sind das alles Scheinargumente, die eine Struktur rechtfertigen sollen,
die keine Basis hat. Es ist ganz offensichtlich, dass die Unterscheidung
zwischen Mann und Frau deutlich größer gemacht wird, als sie ist: Denn niemand
von uns kommt als Mann oder Frau zur Welt, sondern man wird dazu gemacht. Es
gibt tausende von Rollenerwartungen, die sich über die Generationen gefestigt
haben und allen Menschen von klein auf indoktriniert werden. Und so ist es ein
ewiger Kreislauf, in dem komplett verloren geht, was eigentlich evident ist:
Frauen und Männer sind, abgesehen von einigen biologischen Merkmalen, gleich
und eben Menschen.
Und es kommt sogar noch
schlimmer: Judith Bulter lehrt uns, dass eigentlich auch die biologische
Kategorie menschengemacht ist. Natürlich erschaffen wir nicht die biologischen
Fakten der Fortpflanzung. Und ja, es gibt auch Dinge wie Hormone, das
bestreitet niemand. Aber niemand zwingt uns dazu, genau an dieser Stelle
den Unterschied zwischen den Geschlechtern zu machen. Die Fortpflanzung könnte
ein kleines Nebenprodukt unserer Gesellschaft sein, es ist ja nicht so, als
wären wir zu Wenige. Sexualität ist nämlich auch sehr stark gesellschaftlich
geprägt. Heutzutage sind die meisten Menschen heterosexuell, früher waren viele
homosexuell. Fortpflanzung hängt weder unbedingt mit Liebe, noch mit
Befriedigung zusammen. Das binäre System zwischen Mann und Frau ist nicht
notwendig. Unser Geschlecht ist aber nicht nur unser Status, sondern unsere
Identität. Wir werden ja von klein auf danach aufgezogen und nehmen die
Rollenbilder, ob bewusst oder unbewusst, an. Und wenn durch diese ganze
Geschichte niemand zu Schaden kommen würde, wäre das ok, aber das passiert eben
leider. Und deshalb müssen wir da sehr vorsichtig sein. Wir sollten unsere
Geschlechterrollen noch einmal grundlegend überdenken und schauen, ob wir das
wirklich noch wollen. Oder ob wir lieber eine Generation an Kindern großziehen
wollen, die sich nicht als Fortpflanzungsobjekt verstehen, sondern als
Menschen, als vernünftige Tiere.
Konklusion
So, das war jetzt sehr
viel Input. Kommen wir zur Frage, weil ich die noch gar nicht direkt
beantwortet habe. Was ist Geschlecht? Unser Geschlecht ist eine Kategorie, die
eine biologische Basis hat, aber von Menschen gemacht und festgelegt ist. Sie
basiert auf unseren Geschlechtsmerkmalen und soll eine logische Einteilung für
die Fortpflanzung bieten. Was sie aber tatsächlich tut, ist, uns Menschen durch
bestimmte Rollenerwartungen und Erziehung Identitäten zu verleihen. Das wäre
auch nicht schlimm, wenn es nicht zu lauter Problemen führen würde: Eine
Geschlechterkategorie, die ohne ersichtlichen Grund unterdrückt wird, Menschen,
die gezwungen werden, gewissen Werten zu folgen, solche, die geächtet werden,
weil sie sich einer anderen Rolle eher zugehörig fühlen… Das ist doch alles
Unsinn, oder? Wir Menschen tun uns das selbst an, also sollten wir es auch
selbst beenden können. Ist es nicht besser, wenn wir uns einfach als Menschen
begreifen? Oder zumindest die Geschlechtsidentitäten nicht so weit kommen lassen,
dass sie uns verletzen? Immerhin ist seit einiger Zeit mit Frauen wie Simone de
Beauvoir und Judith Butler ein Umdenken zu merken. Klar, weil wir Menschen
unterschiedlich erziehen und ihnen Verhaltensweisen antrainieren, gibt es
inzwischen seit Jahrtausenden tatsächlich einen Unterschied zwischen Frau und
Mann. Aber das muss nicht so sein. Es gibt natürlich trotzdem so Dinge wie Hormone,
die sich unterscheiden, das möchte ich nicht bestreiten. Aber diese biologische
Eigenart muss nicht unsere Gesellschaft bestimmen, wenn wir es nicht so wollen.
Und auch wenn vielen Menschen Dinge wie gendergerechtes Sprechen oder ein
größeres Auge auf Geschlechtergerechtigkeit lästig vorkommen mögen, so wirft es
ein Licht auf Probleme, die wir als Menschheit allzu lange verschwiegen haben.
In denen wir uns so sehr verfangen haben, dass wir gar nicht mehr wissen, wo
und oben und unten ist. Und deshalb ist es wichtig, dass wir, wie in dieser
Folge, einmal in uns gehen und uns fragen: „Was ist das eigentlich,
Geschlecht?“
Ok, und das war es mit
der Folge. Lasst es mich gern über einen Kommentar wissen, was ihr denkt! Wenn ihr Blogbeiträge wie diesen lieber hören statt lesen, meinem Instagram folgen, mich erreichen oder etwas spenden wollt, finde ihr alle Links dazu in meinem Linktree.
Und somit bin ich durch.
Vielen lieben Dank fürs Lesen und noch einmal danke fürs Einschalten,
Abstimmen, Kommentieren, Spenden und Anschreiben dieses Jahr! Es war ein
wunderbares 2023 mit euch – und wir sehen uns dann in 2024!
Quellen
,,Symposion" - Platon
,,Das andere Geschlecht" - Simone de Beauvoir
,,Das Unbehagen der Geschlechter" - Judith Butler
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