#40 Dark: Was ist Zeit?
Zusammenfassung
Was ist Zeit? In der Netflix-Serie Dark wird diese Frage immer wieder aufgeworfen. Die Zeit wird oft als dieses umfassende Konzept beschrieben, das über die ganze Welt herrscht. Durch sie gibt es das Alter, den Tod und Veränderung: Die gesamte Realität wird durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beherrscht. Wie Heraklit gesagt haben soll: Man steigt niemals zweimal in denselben Fluss. Was ist aber, wenn ich euch sage, dass die Zeit vielleicht gar nicht real ist? Der Philosoph McTaggart vertritt diesen Punkt. Mit ihm und Martin Heidegger präsentiert sich uns eine Realität, in der der Mensch sich die Zeit selbst geschaffen hat und Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine Illusion sind. Ist das überhaupt vorstellbar? Hallo zusammen und herzlich willkommen zurück zu einer weiteren Folge von „Philosophie für zwischendurch“!
Einleitung
Heute wollte ich mich mal
wieder mit einer Serie auseinandersetzen. Das habe ich schon echt lange nicht
mehr gemacht! Es geht um Dark mit dem Thema der Zeit. Vor ein paar Monaten habe
ich auch auf meinem Instagram einen Beitrag dazu gemacht, aber irgendwie ging
der mir nicht weit genug. Und dann habe ich auch eine Anfrage von einem
Zuschauer bekommen, dazu mal mehr zu machen. Das hat jetzt zugegebenermaßen
etwas länger gebraucht, das Thema ist nämlich recht komplex. Aber jetzt ist es
so weit! Was ist Zeit? Bleibt übrigens gern dran, auch wenn ihr die Serie nicht
kennt. Das ist für diese Folge nicht notwendig. Außerdem erkläre ich die
Handlung auch ohne Spoiler, ich kann „Dark“ nämlich nur empfehlen!
Also, was ist Zeit? Das ist eine echt umfassende Frage. Die Zeit bestimmt ja im
Grunde unser gesamtes Leben! Es gibt einen festen Zeitpunkt, an dem wir geboren
sind, wir altern während unserer Zeit auf der Erde und sterben zu einem ebenso
festen Zeitpunkt. Es ist wie eine Währung an sich, die teilweise sogar wichtiger
zu sein scheint als Geld. Man braucht Zeit für die Wirtschaft, die Politik und
jeden privaten Bereich. Deshalb heißt es ja auch „Zeit ist Geld“. Und der best-
bezahlteste Beruf der Welt wirkt nicht erfüllend, wenn er einem davon alles kostet.
Viele Menschen wünschen sich deshalb auch, sie hätten mehr Zeit und nicht
unbedingt mehr Geld. Der Wunsch, durch die Zeit zu reisen, ist in der
Gesellschaft weit verbreitet. Man will Momente erneut erleben, Dinge in der
Vergangenheit anders machen oder lange Pause im Leben mit einer Reise in die
Zukunft überspringen. Vielleicht will man auch wissen, wozu man es gebracht
hat. Die moralische und praktische Seite der Zeitreisen habe ich auch in meiner
23. Folge schon bearbeitet, sie heißt „Life is Strange: Sollte man Zeitreisen?“
Mit der Serie Dark stellt sich aber die Frage: „Was ist Zeit überhaupt?“ In ihr
werden Menschen durch die Zeit regelrecht geknechtet. Als sie dann aber der
Reihe nach in die Vergangenheit reisen, um sich das Leben einfacher zu machen,
versinkt alles in einer einzigen Verwirrung über Kausalität, Determinierung und
Identität.
Zum Beispiel schreibt jemand in der Serie ein Buch, das dann aber eine Person
an sich nimmt und in die Vergangenheit reist. Dort gibt sie es dann dem
früheren Ich des Autors. Und dieser schreibt es dann nach dem Vorbild des
Buches erst auf. Wer ist nun der Verursacher? Immer noch das spätere
Ich? Aber das Buch wurde ja vom Jüngeren geschrieben. Oder ist es der Jüngere?
Aber er hat das Buch aus der Zukunft bekommen!
Man sieht in Dark auch sehr deutlich, wie sich Identitäten über die Zeit
ändern. Es gibt eine Szene, in der das ältere Ich eines Mannes das jüngere an
einem Verbrechen hindern will, weil es die Folgen kennt. Aber trotzdem hört
seine jüngere Version nicht darauf.
Auch deterministische Fragen wirft die Serie auf, denn es stellt sich immer
mehr heraus, dass die Zeitreisenden in ihrem Versuch scheitern, die
Vergangenheit zu ändern. Eine Person reist zurück, um einen späteren
Kindermörder in dessen Kindheit zu töten. Jedoch kommt er schwer verletzt
davon, weil er gar nicht sterben kann: Er lebt ja später noch! Schlimmer sogar,
erst durch diesen Angriff wird er überhaupt zum Mörder, weil er schwer
traumatisiert wurde. Ganz grob gesagt, zumindest.
Das sind alles sehr viele Themen und Fragen, die ich in dieser Folge gar nicht
alle bearbeiten kann! Aber dafür habe ich das in anderen schon getan. Zur
Identität könnt ihr euch gern die 9. Folge, „Bleiben wir immer dieselbe
Person?“ anhören und zum Determinismus die Nr. 11: „Ist unser Leben
vorherbestimmt?“ Da rede ich zwar nicht speziell über die Zeit, aber man
bekommt einen guten Überblick, wie das in dem Fall aussehen könnte. In dieser
Folge geht es einzig und allein um die Zeit. Was ist sie? Wie beeinflusst sie
uns? Und wäre ein Leben ohne sie denkbar?
Die Handlung
Doch reden wir zuerst ein
bisschen über Dark. Ich habe euch jetzt drei Szenen vorgestellt, aber was genau
ist das für eine Serie? In Dark ist es leicht, den Überblick über die
Haupthandlung zu verlieren, weil so viele Dinge gleichzeitig passieren.
Das große Thema ist die Zeitreise. Eines Tages wird die Möglichkeit entdeckt,
33 Jahre in die Vergangenheit oder Zukunft zu reisen und von da an beginnt das
Chaos. Die zeitliche Chronologie verschwimmt und man kann gar nicht mehr genau
sagen, wie alles angefangen hat. Denn mal reisen Menschen zurück und verändern
etwas, mal nach vorne und bleiben dann teilweise auch dort. Und irgendwie ist
alles mit der Haupthandlung verstrickt, auch wenn es nicht wesentlich wirkt. Man
sieht während der gesamten Serie, dass diese zeitlichen Manipulationen
niederschmetternde Wirkungen auf die Menschen haben. Ein Kind reist
versehentlich zurück, wächst im Jahre 1986 bei anderen Leuten auf und sieht
eines Tages als Herangewachsener sein kindliches Ich und die ursprünglichen
Eltern. Aber natürlich kann er niemandem davon erzählen, denn offiziell ist er
ein ganz anderer.
Doch es gibt auch einen Konflikt in der Serie. Eine Gruppe an Leuten, die sich
die Sicmunder nennen, versuchen, die Macht über die Zeit an sich zu reißen.
Zwei Männer, die für sie arbeiten, bauen an einer eigenen Zeitmaschine, um
alles so drehen zu können, wie sie wollen. Um die Maschine auszuprobieren,
entführen sie immer wieder Kinder und schicken sie in die Vergangenheit oder
Zukunft, sie tauchen dort aber oft tot auf. Gegen sie gehen die Hauptcharaktere
vor. Dabei klingt das Ziel der Sicmunder eigentlich nicht allzu schlecht: Sie
wollen ein Paradies schaffen, in dem es keine Zeit mehr gibt, da sie zumindest
komplett unter menschlicher Kontrolle ist. So wollen sie all das Leid
auslöschen, das durch sie passiert. Den Tod vor allem, und das Altern.
Jedoch scheint es so, dass es den Menschen eher schlechter geht, je mehr sie
versuchen, sich die Zeit zu unterwerfen. Und das wirft wieder unsere Hauptfrage
auf: „Was ist Zeit?“ Was genau ist das für ein geheimnisvolles Ding, das kein
Gott ist, aber trotzdem eisern über uns herrscht?
Der Fluss der Zeit
Eine der ersten
Darstellungen der Zeit bekommen wir vom antiken Philosophen Heraklit. Er hat
sie in seinen Werken nie direkt erwähnt, aber versucht zu erfassen, wie unsere
Welt aufgebaut ist. Unser Bild der Zeit passt noch immer zu diesem Ansatz.
Heraklit sagt, dass alles auf der Welt einem ständigen Wandel unterliegt. Und
so ist auch der Mensch nie konstant, sondern verändert sich ständig. Nie bleibt
etwas gleich, es ist alles in Bewegung. Und in diesem Wandel liegt für Heraklit
die eigentliche Konstante der Welt. Nur dadurch, dass sich alles verändert,
bleibt auch alles im Gleichgewicht. Das berühmte Flussbeispiel des Philosophen
unterstreicht seine Worte. Heraklit sagt nämlich, dass die Welt ein bisschen
wie ein Fluss ist. Alles fließt unaufhörlich weiter und verändert sich dabei
ständig. Das Wasser an der Quelle ist nicht mehr dasselbe wie das im Tal. Denn
es ist bis dahin an vielen Steinen vorbeigeflossen, verschiedene Tiere oder
Menschen waren darin und es ist vielleicht auch weniger schnell. Der Philosoph
sagt, dass man nie zweimal in denselben Fluss steigt, da immer alles anders
ist.
Nach neuerer Forschung hat Heraklit eigentlich nicht vertreten, dass sich
tatsächlich alles ohne Ausnahme zu jedem Moment verändert. Es heißt, dass er
von einem Kern geredet hat, der in jedem Ding über die Zeit gleichbleibt.
Außerdem vertritt er auch die These des unendlichen Logos. Der Logik, die trotz
aller Veränderungen konstant bleibt. Deshalb ist der Philosoph auch streng
dafür, das Logische anzustreben. Aber all das ist nicht wichtig für unser
Argument, denn im Kern vertritt er noch immer das Bild des Flusses, der die
Realität strukturiert.
Doch was genau hat das mit der Zeit zu tun? Nun, Heraklit gibt uns hier das
Bild einer Welt, die prozesshaft aufgebaut ist. Es ist allgemein angenommen,
dass es die Zeit ist, die diese Veränderungen mit sich bringt. Und wie ein
Fluss fließt auch sie von Vergangenheit in Richtung Zukunft und lässt nichts
da, wo es ist. Die Quelle ist der Beginn und irgendwo, irgendwann gibt es den
großen Bach, in den der Fluss fließt. Und das ist dann das Ende. Es gibt
nichts, was ihn daran hindern kann und es gibt auch keine Umkehrung. Die Zeit
fließt kontinuierlich von der Vergangenheit in die Zukunft.
Und so muss es auch sein, denn nur so haben wir eine Ordnung in der Welt. Wenn
es die Zeit nicht gäbe, würde der Fluss nicht fließen und nichts würde sich
verändern. Dann gäbe es auch keine Existenz oder Entwicklung. Oder wenn er
rückwärts fließen würde, wäre auch alles durcheinander. Denn eigentlich ist das
Prinzip, dass wir durch die Vergangenheit entstanden sind. Es hat sich bis zu diesem
Punkt alles so verändert, dass dieser Moment so stattfinden kann. Wenn es
umgekehrt wäre, müsste dieser Moment zu dem werden, was ihn hervorgebracht hat.
Das funktioniert nicht. Meine Eltern können mich zur Welt bringen, aber ich
nicht sie. Auch kann es nicht sein, dass ich an einer anderen Stelle des
Flusses bin als jetzt gerade. Die Gegenwart bewegt sich immer weiter, aber man kann
davon nicht ausbrechen. Ich kann nicht zurück in die Vergangenheit oder weiter
nach vorn in die Zukunft. Das Wasser ist vom Beginn schon weggeflossen, der ist
also abgeschlossen. Und weiter vorne ist es noch gar nicht, also kann man da
auch nicht hin. Wir können nur mit der Strömung der Gegenwart gehen.
Die Zeit ist also nach diesem Bild ganz klar eingeteilt in Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft. Die Vergangenheit ist das, was hinter uns liegt und
schon passiert ist. Die Gegenwart das, was gerade passiert. Und die Zukunft ist
das, was noch kommt. Alle Ereignisse passieren außerdem in umgekehrter
Reihenfolge: Erst liegen sie in der Zukunft, dann erreichen sie uns und dann
sind sie vergangen. Damit gibt es eine intuitive Ordnung der Welt, in der
Leben, Tod und sonstige Veränderungen erklärbar sind. Und hier ist auch ganz
offensichtlich, wie Kausalität funktioniert: Dinge in der Gegenwart sind durch
solche in der Vergangenheit verursacht, oder Dinge in der Zukunft durch die
Gegenwart. Dieses Bild der Zeit gilt als essentiell und unüberwindbar. Doch was
ist, wenn wie bei Dark alles durcheinandergebracht wird? Wenn das geht, ist die
Zeit tatsächlich so aufgebaut, wie wir denken?
Die Zeit als Illusion
An dieser Stelle wollen
wir einmal in eine ganz andere Richtung gehen. Gibt es die Zeit
überhaupt? Der britische Philosoph John McTaggart unternimmt in seinem Paper
„The Unreality of Time“ den Versuch, zu beweisen, dass die Zeit nicht real ist.
Ein großes Unterfangen, wie er zugibt. Denn wenn es keine Zeit gäbe, würde das
unser gesamtes Bild der Realität ändern, von der Kausalität bis zum Raum.
Aber wie sieht die Verteidigung für den Zeitenfluss eigentlich genau aus? Man
würde ja eigentlich gar nicht denken, dass man sie überhaupt brauchen würde,
denn die Zeit ist als Konzept doch so intuitiv! Es gibt Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft und jedes Ereignis wechselt der Reihe nach durch sie
durch. Ein simples und offensichtliches Konzept.
Fakt ist aber, dass wir die Realität immer nur in der Gegenwart erleben. Wir
können nicht in die Vergangenheit oder Zukunft reisen. Und selbst wenn wir, wie
im Falle von Dark, in der Vergangenheit wären, wäre sie für uns wieder ein Teil
der Gegenwart. Im Grunde könnte man sagen, dass Vergangenheit und Zukunft nur
Illusionen sind, weil wir sie nie erleben können. Aber so weit geht McTaggart
nicht. Denn wir nehmen gewisse Dinge ja dennoch als vergangen wahr. Das sind
dann unsere Erinnerungen. Die Zukunft sehen wir auch, und zwar in dem, was wir
erwarten.
Außerdem stützt sich die Zeit auch darauf, dass sie Veränderung mit sich
bringt. Und, dass es die gibt, können wir nicht leugnen. Selbst wenn
Dinge gleichbleiben sollten, können wir das nur deshalb so wahrnehmen, weil
andere sich ändern. Zeit und Veränderung sind scheinbar unzertrennbar.
Das Zeitparadoxon
Trotzdem findet McTaggart
das Bild eines Zeitenflusses paradox. Er ist nach dem Philosophen so aufgebaut,
dass in ihm alle Gegenstände in Relation zueinander in der Zukunft, Gegenwart
oder Vergangenheit platziert werden. Ein Beispiel: Wenn ich jetzt ein Eis esse,
passiert das in der Gegenwart. Es steht nämlich in Relation dazu, dass der
Moment, in dem ich eines gekauft habe, in der Vergangenheit liegt. Auch sind
beide Ereignisse davor in der Zukunft gewesen und hatten eine Relation zu einem
anderen Ereignis. Denn wenn das nicht so wäre, könnte ich das Eis nicht essen.
Es scheint aber doch einen Unterschied zwischen Vergangenheit, Zukunft und
Gegenwart zu geben. Denn wir nehmen, wie schon gesagt, die Welt nur in der
Gegenwart wahr. Alles Zukünftige ist noch nie geschehen, also kann es gar nicht
so real sein wie das Jetzt. Ebenso die Vergangenheit. Diese Dinge existieren
nicht mehr, sondern sind im Zeitenfluss inzwischen anders. Wir platzieren also
Ereignisse in Zeitzonen mithilfe von Relationen zu Dingen, die gar nicht real
sind. Ich kaufe das Eis, weil die Situation, in der ich es esse, in der Zukunft
ist. Aber ich esse das Eis gerade nicht. Das ist ein Moment, der gar nicht
existiert. Theoretisch kaufe ich einfach nur das Eis, weil ich in der Gegenwart
vorhabe, es zu essen. Aber die Zukunft ist nicht Teil davon. Jetzt kann man
natürlich sagen, dass so eben die Zeit funktioniert und man nur einfach an den
Wörtern dreht.
Aber es ergibt sich ein weiterer Widerspruch. Man platziert Ereignisse nicht
nur durch Relationen in der Zeit, sondern sie stehen auch an einem festen Punkt
in der Realität. Wenn ich das Eis im Januar 2023 esse, wird es immer genau dann
passiert sein. Gut, das ist wahrscheinlich ein bisschen ein kalter Monat dafür,
aber egal. Dieses Ereignis wird je nach Betrachtung 1000 Jahre in der Zukunft,
1000 Jahre in der Vergangenheit oder in der Gegenwart sein. Je nachdem, wen man
fragt, nicht wahr? Ein Hellseher im Jahre 1023 würde so denken, ein
Geschichtswissenschaftler in 3023 anders. Also, weil diese Situation natürlich
so bedeutsam ist, dass sie vorhergesehen und festgehalten wird. Aber welche von
diesen Sichten ist jetzt objektiv? Denn wir wissen, dass etwas nicht
gleichzeitig in der Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit liegen kann, also kann
ja nur einer hier recht haben. Wenn man aber von oben auf diesen Zeitenfluss
schauen und alle Perspektiven berücksichtigen würde, würde dieses Ereignis dann
überall sein, eben in allen Zeitzonen. Aber das ist unmöglich. Es müsste an
genau einem Punkt verortet sein. Und deswegen geht das Konzept der Zeitzonen
nicht auf. Wir können etwas nur als vergangen und zukünftig setzen, wenn wir
eine Gegenwart haben. Aber wenn man auf alle Geschehnisse der Welt schaut, wo
würde man dann die Gegenwart platzieren? Bei uns in 2023? Bei Nietzsche in 1900? Oder bei einem uns
unbekannten Philosophen in 3001? Die Zeit würde sich also mit genau dem
Ordnungskonzept schneiden, das sie eigentlich verursachen soll: Dass alles an
seinem Platz ist, einmal passiert und sich kontinuierlich verändert.
Jetzt könnte man dagegen einwenden, dass McTaggart eine Perspektive vorschlägt,
die es gar nicht gibt. Niemand schaut von oben auf die Zeit, sondern sie ist
wie gesagt ein Fluss, in dem man selbst steht. Und dann ist es genau die und
keine andere Stelle, die die Gegenwart ist.
Das lässt McTaggart aber nicht stehen. Denn erstens ist das dann gar keine
objektive, sondern subjektive Zeit. Außerdem schafft man dann ja immer neue
Zeitstränge, wenn man sagt, dass die Gegenwart „jetzt gerade“ ist. Die
objektive Gegenwart steht dann wohl gar nicht fest, sondern reist auch selbst
durch die Zeit. Und in jedem dieser Zeitstränge hat man dasselbe Problem:
objektiv gesehen ist nichts vergangen, zukünftig oder gegenwärtig. Und dann
würde man wieder ausweichen und sagen, dass sich die Gegenwart erneut bewegt.
Ok, dass man sich das ein bisschen vorstellen kann. Nochmal zu unserem Eis. Ich
esse mein Eis im Januar und dann gehe ich schlafen. Stellen wir uns vor, wir wären
Gott und könnten von oben auf alle Ereignisse herabschauen, die jemals passiert
sind und werden. Wo ist dann die Gegenwart? Beim Eisessen oder beim Schlafen? Als
ich gegessen habe, habe ich das als Gegenwart wahrgenommen, aber als ich
geschlafen habe, auch. Und gegenseitig habe ich erst das Schlafen als zukünftig
betrachtet und dann das Essen als vergangen. Und wenn wir sagen, dass die
Gegenwart eben dynamisch ist und immer an einem anderen Ort, schaffen wir
dasselbe Problem nur hundertmal mehr. In jedem Zeitstrang ergibt sich derselbe
Logikfehler. Man könnte noch versuchen, mit der Intuition dagegen zu
argumentieren: In unserer Sprache schlägt sich das Phänomen ja auch nieder. Man
redet immer von Ereignissen, die gerade passieren, einmal waren oder sein
werden. Irgendwoher muss das ja kommen.
Aber das führt nach McTaggart zu nichts. Denn hier setzen wir die Zeit bereits
voraus, um sie zu beweisen. Nur weil wir in ihren Kategorien denken, muss sie
nicht real oder objektiv sein. Man kann die Zeit nur annehmen, aber nicht
beweisen. Und wenn sie nicht so paradox wäre, wäre das auch kein Problem. Das
macht das Thema auch so komplex, weil es von uns verlangt, außerhalb eines
etablierten Rahmens zu denken.
Es ist aber auch nicht so, als würde unser komplettes Bild der Realität
auseinanderfallen müssen. McTaggart sagt, dass es durchaus Ereignisse und
Veränderung auf der Welt gibt. Es gibt eine feste Reihenfolge, nach der alle Geschehnisse
ablaufen. Ob es einen Beginn und ein Ende gibt, sagt er nicht. Aber in Relation
zueinander ist es schon so, dass das eine vor dem anderen kommt. Ich kaufe mein
Eis, dann esse ich es und dann gehe ich schlafen. Dieses Bild soll bleiben. Das
einzige Problem ist, dass wir gewisse Teile dieser Ereignisse als gegenwärtig
und real und den Rest als schon vergangen oder noch nicht passiert ansehen.
Denn auf einer objektiven Ebene ist das nicht haltbar. Es gibt weder
Vergangenheit noch Gegenwart noch Zukunft.
Die subjektive Zeit
Doch woher kommt das?
Wenn Zeit nicht real ist, wieso ist der Zeitenfluss so intuitiv? Es hängt im
Grunde von uns ab: Es gibt Dinge, die wir erfahren, an die wir uns erinnern und
die wir erwarten. Und Erinnerungen oder Erwartungen sind für uns weiter von
unserer Realität entfernt als aktuelle Erfahrungen.
Jedoch ist das ein subjektives Gefühl. Denn wenn wir uns an Dinge erinnern oder
sie erwarten, sind diese Handlungen auch gegenwärtig. Es ist auch ein Fakt,
dass Dinge für uns vergangen sind, die für andere Menschen gegenwärtig sind.
Wenn man seinen Schrank verkauft, zum Beispiel. Die eine Person würde sagen,
dass er für sie vergangen ist, für die andere ist er gegenwärtig. Beides ist
aber nicht objektiv.
Und das ist nach McTaggart auch gar kein Problem. Denn bei einem subjektiven
Zeitenfluss ergibt sich kein Paradoxon. Hier gibt es einen Grund, wieso die
Gegenwart Gegenwart ist: Weil sie subjektiv so wahrgenommen wird. Wenn man
objektiv auf das Leben schauen würde, hätte man zwar dasselbe Problem wie mit
der Zeit im Allgemeinen. Aber man erlebt, so wie man gerade ist, das Leben in
der Gegenwart. Das ist ein Fakt. Und so sehen wir auch Zukunft und
Vergangenheit, weil wir die Veränderung um uns herum wahrnehmen und einordnen.
Zwischenstand
Ok, das war jetzt sehr
viel Input. Was genau lernen wir von McTaggart? Nach seiner Theorie ist alles,
was wir über die Zeit zu wissen glauben, falsch. Denn sie ist objektiv gesehen nicht
real. Wir stellen uns die Zeit wie einen riesigen Fluss vor, der von der
Vergangenheit in die Zukunft fließt. Und
alles, was wir gerade sehen, passiert gerade und ist real. Alles andere
vergangen oder zukünftig. Eben dieser Moment verändert sich außerdem ständig,
die Gegenwart bewegt sich bei jedem unserer Schritte mit. Nur durch dieses
Konzept sind Veränderungen in der Welt und die drei Zeitzonen möglich.
Fakt ist aber trotzdem, dass wir die Welt immer nur in der Gegenwart
wahrnehmen. Alles, was außerhalb davon passiert, ist für uns nicht in derselben
Weise real. Gar nicht, könnte man sagen. Und das ist eigentlich komisch, weil
wir trotzdem diese nicht-realen Ereignisse nutzen, um unser Bild der Zeit zu ordnen.
Das Eisessen ist in der Gegenwart, weil der Kauf in der Vergangenheit ist. Ich
habe es gekauft, weil das Essen in der Zukunft war. Aber wie können diese Dinge
auf demselben realen Zeitstrahl sein, wenn sie gar nicht da sind?
Und selbst wenn man die Ereignisse nicht mithilfe von Relation zu anderen
platziert, wird es paradox. Denn alles passiert in diesem Zeitenfluss an einem
bestimmten Punkt. Egal, von wo man schaut, ein Ereignis wird immer an demselben
Zeitpunkt bleiben. Dann ist es aber doch komisch, so einen Punkt je nach
Betrachtung in verschiedenen Zeitzonen zu platzieren. Etwa vom Mittelalter aus
1000 Jahre in der Zukunft, oder in der Zukunft 1000 Jahre in der Vergangenheit.
Wenn man von ganz oben herabschauen würde, wäre jedes Ereignis dann
gleichzeitig vergangen, jetzt und zukünftig. Das ist aber unmöglich, also kann
es nichts davon sein. Denn es gäbe keinen Anhaltspunkt, wo man die Gegenwart
platzieren sollte. Ist 2023 die Gegenwart? Oder 399 v. Chr.? Es sind im Grunde
alles nur einzelne Zeitpunkte. Wenn alles gleichzeitig vergangen, gegenwärtig
und zukünftig wäre, könnte es auch keine Veränderung geben. Denn dann würde
immer dasselbe gleichzeitig passieren, und das ist nicht der Fall.
Diese Theorie ist auch gegen den Einwand robust, die richtige Gegenwart wäre
eben „jetzt gerade“ und würde sich in jedem Zeitpunkt mitbewegen. Denn alles,
was man dadurch tut, ist, hunderte neuer Zeitreihen mit genau demselben Problem
zu schaffen. Die Zeit lässt sich eben nur durch sich selbst beweisen, weil sie
nichts weiter ist als ein künstliches menschliches Konstrukt, das vorausgesetzt
wird.
Wir verbleiben aber auch nicht einfach ohne Vision der Realität. Es gibt
durchaus Veränderung und Geschehnisse, die nacheinander passieren. Es ist nicht
so, als würde unser komplettes Weltbild auseinanderfallen. Ursache und Wirkung
sind noch immer am selben Platz: Erst kaufe ich das Eis und dann esse ich es.
Aber der zeitliche Aspekt stimmt nicht: Es ist nichts davon objektiv jemals
Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Das ist eine menschliche Erfindung. Alle
Geschehnisse des Universums sind objektiv gleich real.
Aber auf subjektiver Ebene gesteht McTaggart den Leuten zu, dass es einen
Zeitenfluss gibt. Für das Individuum gibt es eine Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft, von der nur die Gegenwart tatsächlich real ist. Wenn man objektiv auf
das Leben der Person blicken würde, zwar wieder nicht. Aber für den Moment, den
es gerade lebt, ist die Zeit real. Es gibt Erinnerungen, Erfahrungen und
Wahrnehmungen.
Die Notwendigkeit der
Zeit
Diese These bestätigt
auch der deutsche Philosoph Martin Heidegger. In seinem Werk „Sein und Zeit“
sagt er, dass wir dieses subjektive Zeitgefühl sogar dringend brauchen. Die
Zeit selbst ist es, die unserem Leben Struktur und Sinn gibt. Schon von Geburt
an wird uns der Tod als Ultimatum vorgesetzt: Und bis zu dem sind unserer Tage
ganz objektiv zählbar. Deshalb wird es für uns wichtig, unser Leben zu planen.
Es muss sinnhaft gelebt werden, das heißt, der Tod muss möglichst vermieden
werden und es soll schön sein. Dafür gibt es sogenannte „Entwürfe“, wie
Heidegger sie nennt, die wir immer wieder neu anlegen. Sie bestehen aus Plänen,
Wünschen und Hoffnungen für die Zukunft. Und sie speisen sich vor allem aus der
ewigen Angst vor dem Tod. Wir entwerfen diese Pläne also immer in Richtung Zukunft,
um einen Weg zu haben. Unsere Vergangenheit brauchen wir dafür auch, denn
daraus holen wir persönliche Erfahrungen und Präferenzen.
Die Zeit ist also essentiell für unser Lebensgefühl und in diesem Rahmen höchst
real. Wir stecken zwei Punkte ab und betrachten das, was dazwischen passiert,
als unsere Zeit. Aber wir sind alle zu unterschiedlichen Zeitpunkten geboren,
haben einen unterschiedliche Lebensführung und Zeitvorstellungen. Heidegger
geht zwar nicht so weit wie McTaggart, dass er die Realität der Zeit
anzweifelt. Aber er meint, dass durch das Phänomen der Lebensentwürfe keine
Aussage über eine objektive Zeit getroffen ist. Es handelt sich hier nur um
subjektives Empfinden.
Die Unendlichkeit des
Universums
Es scheint also, dass das
Konzept einer objektiven Zeit widerlegt ist. Unser Bild der Zeit ist wohl nur
an uns selbst gebunden und die drei Zeitzonen dienen einer besseren
Lebensführung.
Was ist, wenn wir die Theorien der beiden Philosophen sogar noch etwas
weiterspinnen? Sagen wir, es gibt keine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Unsere Leben sind einfach zwei einzelne Punkte, die relativ nah beieinander
sind und zwischen denen wir zählen. Wenn wir aber schon Punkte abstecken müssen
und es keine Zeit gibt, wäre es dann nicht auch vorstellbar, dass das Universum
gar keinen Anfang oder Ende hat? Vielleicht ist es gar unendlich und allein
deshalb objektive Zeit ein komisches Konzept. Denn wann hätte die Zeit dann
angefangen? Und wie würde sie aufhören? Ist es wirklich vorstellbar, dass
irgendwann gar nichts existiert hat? Und es ist nach den Regeln der Logik
eigentlich auch nicht möglich, dass so viel Masse, wie wir sie im Universum
haben, aus nichts entstanden ist. Es gibt immer Ursache und Wirkung. Selbst
ohne Zeit. Und auch Masse ist unabhängig davon konstant. Nicht relativ, wie man
es über die Zeit sagen kann.
Das würde aber auch erklären, wieso wir Menschen sie so unbedingt brauchen und
annehmen. Wir leben nicht unendlich, deshalb können wir mit diesem Konzept nur
wenig anfangen. Denn klar kann man zählen. Zählen kann man immer. Wenn wir
einmal ein bisschen Mathe machen wollen: Auf einem Graphen, der links und
rechts ins Unendliche führt, kann man immer zwei Punkte abstecken. So viele,
wie man will quasi. Die Erde ist ja auch tatsächlich irgendwann entstanden und
wird irgendwann zerstört werden. Aber realistisch gesehen sind es künstliche
Zahlen. Es gibt keine Zeit. Im Jahre 2024 werden wir noch genau so weit
entfernt von dem Ende des Universums sein wie 2023.
Wie man bei Heidegger sieht, brauchen wir dieses Zeitgefühl aber für ein
sinnhaftes und gutes Leben.
Zeitenkollaps
So und damit kommen wir
zurück zu Dark. Denn hier gerät der Zeitenfluss komplett durcheinander. Kinder
treffen ihre Eltern in der Vergangenheit, Ursache und Wirkung vertauschen ihren
Platz. Jedoch wird keine objektive Zeit durch die ganzen Reisen
durcheinandergewirbelt. Denn es gibt wie gesagt keine. Wenn es sie gäbe, dann
wäre es sehr schwer zu erklären, wie der Zeitenfluss umgekehrt werden sollte.
Aber durch das Zeitreisen ändert sich eigentlich gar nichts an der Ordnung der
Welt. Und wie man in der Serie sieht, ist das auch etwas, was den Menschen
extrem komisch vorkommt. Der Mann, der den Kindermörder als Kind töten will,
kann einfach nicht verstehen, warum ihm das nicht gelingt. Denn es würde doch
Sinn ergeben. Unser subjektives Zeitgefühl lehrt uns, dass die Gegenwart
abhängig von der Vergangenheit ist. Aber so funktioniert es nicht: Die
Reihenfolge auf der Erde ist fest und der Kindermörder ist in seiner Gegenwart als
Erwachsener eben noch am Leben. Die Welt funktioniert so, dass eine Person
geboren wird, lebt und später stirbt. Sie kann nicht bereits gestorben sein,
wenn sie noch lebt. Was stattdessen passiert, ist, dass das Kind traumatisiert
wird und erst dadurch anfängt, zu morden. Denn auch das steht in den
Ereignissen der Welt bereits fest. Es gibt keinen objektiven Zeitenfluss, den
man umkehren könnte. Und so reist im Grunde auch niemand wirklich zurück. Der
Mann sieht die Zeit, in der er landet, zwar als Vergangenheit, aber er befindet
sich noch immer in der eigenen Gegenwart. Auf objektiver Ebene versucht hier im
Jahre 1953 ein Mann einen Jungen zu töten, wird verhaftet und verbringt den
Rest seines Lebens in einer Anstalt. Parallel dazu wird um 1970 ein ihm sehr
ähnlicher Junge geboren und lebt bis 2019 normal weiter, bis er verschwindet.
Alles darum herum ist bereits in der Reihenfolge der Ereignisse berücksichtigt.
Und so bleibt auch die Kausalität aufrechterhalten. Die Individuen mögen eine
andere Sicht darauf haben, aber objektiv gesehen gibt es noch immer eine
Ursache, die vor dem Effekt kommt.
Und deswegen ist der Glaube auch fehlgeleitet, dass unser Leben sich
verbessert, wenn wir die Zeit wegnehmen. Objektiv gibt es sie sowieso nicht,
aber das subjektive Zeitgefühl ist wichtig. Es ist ein menschliches Konstrukt,
es ergibt also gar keinen Sinn, es zu zerstören. Wir sollten eher versuchen,
unsere Gegenwart zu verbessern, als an einem anderen Punkt des Universums etwas
herumzudrehen.
Endstand
Fassen wir kurz zusammen.
Was ist Zeit? Wie Heraklit schon in der Antike aufgezeigt hat, kann man sie
sich wie einen Fluss vorstellen. Sie geht von der Vergangenheit in Richtung
Zukunft und wir stehen mittendrin in der Gegenwart. Das ist eine klare Ordnung,
die nicht überwunden werden kann und Veränderung und Kausalität ermöglicht.
Dann hat aber der Philosoph McTaggart eingewandt, dass sich dadurch ein
Paradoxon ergeben würde. Jeder Augenblick würde in Relation zu einer Zukunft
stehen, die es gar nicht gibt, oder einer Vergangenheit, die es nicht mehr
gibt. Denn wir nehmen die Welt nur immer in der Gegenwart war. Unser einziger
Bezug zu anderen Zeitzonen sind die Erinnerung und die Erwartung. Auch würde
jeder Moment im Zeitenfluss gleichzeitig vergangen, gegenwärtig oder zukünftig
sein. Denn je nachdem, von wo man schaut, wäre er woanders. Und wenn man von
oben alles überblicken würde, könnte man an keinem Kriterium einen Moment als
gegenwärtig und real herausheben. Die Realität ist objektiv nur so gestaltet,
dass Ereignisse nacheinander ablaufen, unter Beibehaltung der Kausalität. Aber
keines davon befindet sich jemals in einer der Zeitzonen oder ist alleinig
real.
Unser Glaube an die Zeit kommt von einem subjektiven Zeitgefühl, das deutlich
weniger paradox ist. Denn man selbst kann sich durchaus in der Gegenwart fühlen
und eine Vergangenheit und Zukunft haben. Jeder Mensch hat seine eigenen
Erinnerungen, Erfahrungen und Erwartungen. Und so kann es auch passieren, dass
ein Gegenstand für eine Person in die Vergangenheit und eine andere in die
Gegenwart wechselt.
Die Bedeutung des subjektiven Zeitgefühls hat besonders Heidegger betont. Es
erlaubt uns, ein sinnhaftes und strukturiertes Leben zu führen. Wir haben den
Tod als Ultimatum, dem wir möglichst lange entrinnen wollen. Und so entwerfen
wir fortlaufend Pläne für unser Leben, die aus Erinnerungen unserer
Vergangenheit und Erwartungen für die Zukunft bestehen. Wir stecken uns zwei
Punkte in der Realität ab und zählen zwischen ihnen. Und das macht unsere Zeit
durchaus real. Aber auch das nur auf einer subjektiven Ebene, weil niemand
dasselbe Leben lebt wie wir.
Und von diesem Punkt aus haben wir dann weitergedacht und festgelegt, dass es
eigentlich unplausibel wäre, wenn es eine objektive Zeit mit einem Anfang und
einem Ende gäbe. Von nichts kommt nichts und die Masse im Universum muss immer
irgendwo hin. Weil für uns Menschen das Konzept der Unendlichkeit aber so wenig
greifbar ist, ist es wohl verständlich, dass wir uns die Zeit als persönliches
Konstrukt geschaffen haben. Anders als das Universum sind wir auch nicht
unendlich.
In Dark sieht man dann, was passiert, wenn der Mensch versucht, sein Zeitgefühl
auf die objektive Realität zu übertragen. Es ist nicht so einfach, Dinge in der
Vergangenheit zu ändern, damit die Gegenwart anders ist. Und so bringen die
Menschen in der Serie durch die Manipulation ihrer subjektiven Zeit nur noch
mehr Leid über sich. Daher ist es auch ein Fehler der Sicmunder anzunehmen,
eine Welt ohne Zeit sei besser. Denn das macht den Menschen nicht allmächtig,
sondern schwach. Es raubt ihm seine wichtigste Erfindung.
Konklusion
Kommen wir zu einer
Konklusion. Was ist Zeit? Sie ist ein menschliches Konstrukt, damit wir unser
Leben besser leben können. Die Ereignisse im Universum stehen fest und reichen
deutlich weiter, als wir es uns vorstellen können. Was wir haben, ist nur ein
kleiner Einblick in ein riesiges Gerüst. Unsere „Gegenwart“ ist nur ein Punkt
in einer gigantischen Reihe. Wie Heidegger gesagt hat, brauchen wir die Zeit
aber ebenso, wie wir den Sinn brauchen. Auch er ist übrigens von eher
künstlicher Natur. Mehr dazu in meiner 2. Folge zum Sinn des Lebens. Es ist
wichtig, sich in Erinnerung zu behalten, dass die Zeit uns nicht knechtet oder
leiden lässt. Sie gibt uns Lebensqualität, denn ohne sie würden wir wie die
Tiere einfach nur irgendwann leben und irgendwann sterben. Das zeitlose
Paradies von Dark ist eine gut gemeinte Idee, aber aussichtslos. Die objektive
Zeit kann man nicht wegnehmen, denn sie gibt es nicht. Und von unserer subjektiven
Zeitempfindung sollte man am besten die Finger lassen, denn für solche
Manipulationen sind wir Menschen nicht geschaffen. Man ist gut beraten, an
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu glauben: Auf persönlicher Ebene gibt es
sie auch. Man braucht Erfahrungen, Wünsche, Hoffnungen und Erinnerungen. Das
eigene Leben sollte so geordnet sein. Alle Menschen in Dark wären ausnahmslos
besser dran gewesen, wenn sie nur in ihrer eigenen Zeit geblieben wären.
So, und das war meine
Folge über die Zeit. Ich hoffe, sie hat euch gefallen! Die Recherche dazu war
sehr interessant, aber hat diesmal echt sehr lange gebraucht. Bis ich diesen
Text von McTaggart entziffert hatte, hat es echt ein bisschen gedauert! Es ist
eben, wie er sagt: Wenn man die Zeit als Konzept ablehnt, dann nimmt man sich
eine große Grundlage des Denkens. Deswegen ist es auch nett, das Bild der
Realität nicht komplett zerstört zu haben und wieder zur Normalität
zurückkehren zu können.
Lasst gern einen Kommentar da, was ihr denkt! Wenn ihr übrigens gerne die Blogbeiträge in Audioform hören, mich erreichen oder mir vielleicht sogar eine kleine Spende dalassen wollt, findet ihr alle Links dazu in meinem Linktree.
Ok, dann macht es gut und
noch einen schönen Tag noch!
Quellen
„Dark“ – Baran bo Odar,
Jantje Friese
„Antike Griechische Philosophie“
– Manuel Knoll
„The Unreality of Time“ –
John McTaggart
„Sein und Zeit“ – Martin Heidegger
Kommentare
Kommentar veröffentlichen