#36 Wie hängen Sprache und Wahrheit zusammen?
Zusammenfassung
Wie hängen Sprache und Wahrheit zusammen? Das ist eine Frage, die auf den ersten Blick deutlich simpler erscheint, als sie ist. Denn klar gibt es da einen Zusammenhang: Wir benutzen die Sprache, um Wahrheiten auszusprechen. Das ist sogar ziemlich wichtig, weil sonst ja niemandem etwas mitteilen könnten. Nur deswegen gibt es überhaupt Wissenschaft. Aber ist das alles? Der Philosoph Ernst Cassirer sagt, dass Sprache weit mehr ist, als nur das. Denn ohne sie könnten wir gar nicht denken! Und es geht sogar noch weiter: Wir wären gar keine richtigen Menschen mehr! Die Sprache ist nicht nur unser unabhängiges Werkzeug, sondern unsere Lebenswelt, unser eigenes Universum und unser allumfassendes Glossar. Wieso so dramatisch? Hallo zusammen und herzlich willkommen zurück zu einer weiteren Folge von „Philosophie für zwischendurch“!
Voranmerkungen
Tja Leute, es sieht ganz
so aus, als würde ich so langsam auch wieder beginnen müssen, etwas Produktives
mit meinem Leben anzustellen. Vor zwei Wochen hat hier das Semester begonnen,
deshalb konnte ich mich mit dieser Folge nicht so sehr beeilen, wie ich es
eigentlich wollte. Also keine Sorge, es wird auf jeden Fall weiterhin etwas
kommen! So viel arbeite ich dann doch nicht. Aber der Rhythmus wird sich wohl
etwas verlangsamen müssen. Ich hoffe, dass könnt ihr mir verzeihen. Und wenn
euch noch ein bisschen mehr philosophischer Input im Leben fehlt, könnt ihr
gern jederzeit meinem Instagram-Account folgen! Da poste ich oft philosophische
Sachen, die mir gerade durch den Kopf gehen. So, aber kommen wir zur heutigen
Folge.
Einleitung
Heute geht es um die
Sprache. Die Sprachphilosophie ist eine etwas komplexe, aber sehr interessante
Fachrichtung. Deshalb versuche ich heute, etwas langsam zu machen, dass man
auch mitkommt. Sagt auf jeden Fall Bescheid (auch gerne über meinen Insta),
wenn noch etwas offengeblieben sein sollte. Wie hängen Sprache und Wahrheit
zusammen? Eigentlich eine sehr simple Frage, oder? Zumindest wirkt die Antwort
offensichtlich. Die Sprache hängt mit der Wahrheit zusammen, weil wir sie dazu
benutzen, unsere Erkenntnisse der Außenwelt mitzuteilen. Logisch, oder? Wenn
man herausfindet, dass Äpfel aufgrund der Schwerkraft herunterfallen, braucht
man die Sprache, um das jemandem zu erzählen. Und so werden eigentlich alle
Wissenschaften erst ermöglicht. Unsere Gesellschaften auch und eigentlich
unsere ganze Lebenswelt! Denn wenn wir nicht sprechen könnten, wüsste ja
niemand, was in unserem Kopf vorgeht. Man kann also davon ausgehen, dass wir
sie als Werkzeug brauchen. Unsere Gedanken werden dann wohl auch genau mit dem
übereinstimmen, was wir sagen. Warum auch nicht? Dazu ist die Sprache ja da.
Aber ist das wirklich alles? Ist die Sprache einfach nur irgendein unabhängiges
Werkzeug für unser Denken? Denn wenn man genauer darüber nachdenkt, gehört doch
viel mehr dazu! Stellt euch vor, wir hätten gar keine Sprache. Würden wir dann
einfach nur alle stumm vor uns hindenken? Wäre doch ein merkwürdiger Gedanke,
oder? Es scheint noch eine engere Relation zwischen Sprache und Denken zu
geben. Gewisse Gegenstände wie das Auto konnten noch gar nicht gedacht werden,
bevor es das Wort gab. Und das Wort gibt es erst, seit der Gegenstand
existiert. Generell: Denkt man nicht eigentlich immer in Sprache? Und es ist
doch auch so, dass uns die Sprache eben deshalb Möglichkeiten gibt und Grenzen
setzt. Habt ihr euch jemals gefragt, warum es in manchen Sprachen so viel mehr
Ausdrucksweisen für bestimmte Begriffe gibt als in anderen? Warum uns im
Deutschen einige Wörter sogar fehlen, die es im Englischen gibt? Das scheint
ganz klar damit zusammenzuhängen, dass in bestimmten Kulturen bestimmte Dinge
wichtiger sind als in anderen. Die Sprache formt also wohl unser Denken, und
deshalb sind wir alle etwas anders. Könnte man ohne Sprache überhaupt denken?
Und wie sieht es dann mit der Wahrheit aus? Ist einfach jeder Denkansatz
gültig, weil sich alle unterscheiden? Es kann ja wohl nicht sein, dass nur eine
Sprache der richtigen Denkweise entspricht und alle anderen falsch sind! Wie
kommen wir also zu unserer Wahrheit? Müssen wir an der Sprache oder an
unserem Denken drehen? Wie genau ist das Verhältnis? Und was ist diese geheimnisvolle Sprache überhaupt?
Die Sprache als menschliches
Werkzeug
Gut, viele Fragen. Ich
hoffe, ihr seid noch bei mir. Ich denke, dass wir erst einmal ein bisschen
Ordnung schaffen sollten. Wie man es in der Philosophie so tut. Deshalb fangen
wir mit der grundlegendsten Frage an: Was ist eigentlich die Sprache? Ich habe
hier auch gleich die Gelegenheit, auf eine Kommentarfrage aus der letzten Folge
zu antworten. Da hat jemand gefragt, wie es denn jetzt genau mit dem
Unterschied zwischen Menschen und Tieren aussieht. Denn es gibt durchaus
Überlappungen in unserer Biologie, vor allem mit Affen. Und klar, wenn ich die
menschliche Spezies in der Welt so heraushebe, sollte diese Frage vielleicht
geklärt sein. Ich hoffe, dass du gerade zuhörst, und ich da ein bisschen helfen
kann. Es scheint nämlich im Großen und Ganzen die Sprache selbst zu sein, die
uns von allen anderen Tierarten abhebt. Viel biologischen Input kann ich nicht
bieten, weil das dann keine philosophische Frage mehr ist, aber dazu komme ich
auch noch. Also, was unterscheidet den Menschen denn vom Tier? Die simpelste
Antwort ist wohl der Verweis auf unser Denken. Wir können frei reflektieren und
alles hinterfragen – die Tiere nicht. Aber natürlich ist es nicht so einfach.
Wo zieht man denn die Grenze zwischen unserem Wissen und dem Instinkt? Und wo
genau liegt der Ursprung dieser Fähigkeit?
Der deutsche Philosoph Ernst Cassirer beantwortet beide Fragen mit der Sprache.
Auch er meint, dass sie nicht einfach nur ein Werkzeug ist, sondern
unsere Gedanken überhaupt erst bildet und ausdrückt. Wir denken in Sprache und
strukturieren alles nach ihr. Und so können wir über die ganze Welt
reflektieren und haben keine Grenzen. Während die Tiere durch ihre Instinkte an
einen kleinen Teil der Umwelt gebunden sind, können wir alles erfassen und
verwerten. Wir reagieren nicht direkt auf jeden Reiz, sondern können uns Zeit
nehmen, um über unsere Reaktion nachzudenken. Durch unsere Gedanken haben wir
zu jeder Zeit die gesamte Welt zur Verfügung. Auf einer theoretischen Ebene
können wir alle Sachverhalte miteinander kombinieren und sogar Unreales denken.
Aber wie kommt jetzt die Sprache ins Spiel? Bisher rede ich ja nur über das
Denken. Durch die Sprache können wir den Dingen der Welt einen Namen geben. Und
das ist sehr viel wichtiger, als man denken könnte. Denn wenn wir etwas
benennen, wird es kategorisiert, abgespeichert, und man kann es jederzeit
wiedergeben. Das ist so ein basales Konzept, nicht wahr? Aber stellt euch vor,
durch die Welt zu gehen, und immer wieder alles neu kennenzulernen! Nichts hat
einen Namen und nichts ist so wirklich vom anderen abgegrenzt. Stattdessen habt
ihr nur das, was ihr jetzt gerade seht, und könnt damit arbeiten. So wäre jedes
menschliche Denken unmöglich. Aber so haben wir durch unsere Sprache quasi ein
eigenes Universum. Eine riesige Fülle an Gegenständen und Begriffen, die alle
in unserem Kopf sortiert sind. Man kann es sich vorstellen wie ein Glossar. Und
dieses Glossar ist weit mehr als einfach nur ein Wörterbuch: Es enthält unsere
gesamten Emotionen, wissenschaftlichen Erkenntnisse, praktischen Erfahrungen
und Fantasien! Dieses Universum ist eine Anleitung zu und von
uns! Und jetzt sieht man, wie wichtig die Sprache ist. Ohne Sprache kann man
nichts denken oder ausdrücken, alles würde ohne Kategorie, Bezeichnung und
Abgrenzung im Raum herumschweben.
Deswegen ist Cassirer auch gegen die ganzen Philosophen, die immer nur darauf
gepocht haben, dass uns das rationale Denken von den Tieren abhebt. Oder auch
nur die Emotion. Das ist nämlich längst nicht alles. Was uns von dem Tier
unterscheidet, ist unsere Symbolsprache, die alle Aspekte, die uns ausmachen, ermöglicht.
Sie macht uns zum sogenannten „animal symbolicum“.
Tierische und menschliche
Sprache
Aber Moment. Dabei lassen
wir es noch nicht bewenden. Denn Tiere haben doch auch Emotionen! Und generell
können wir ihnen die Sprachfähigkeit auch nicht komplett absprechen. Wie kann
man das abgrenzen? Denn selbst wenn man über die Instinkte und Reizreaktionen
geht, ist das nicht so eindeutig. Es gibt Tiere, die nicht direkt Reize
reagieren. Bei Haustieren kann man das gut beobachten. Durch die Vermischung
der menschlichen und tierischen Welt gibt es hier definitiv eine starke
Anpassung. Ein Hund wird bereitgestelltes Futter immer fressen, wenn er Hunger
hat und auch sonst alles stimmt. Aber man kann ihn auch dazu erziehen, dass er
noch wartet oder davor einen Trick macht. Man kann das Tier regelrecht zum
Abwägen bringen, ob es das Futter schnell fressen und den Ärger riskieren oder
lieber noch ein bisschen warten soll. Also, scheinbar natürlich. So menschlich
werden die Tiere dann doch nicht. Aber genug, dass man noch einmal nach dem
genauen Unterschied fragen kann.
Vielleicht schauen wir uns dazu die menschliche Sprache noch einmal an. Wie
gesagt ist sie ja der Schlüssel zu unserem Denken: Emotionen, Wissenschaft,
Praktisches und Fantastisches. Doch was ist mit der basalen emotionalen
Schicht? Wir wissen ja alle, dass auch Tiere Emotionen verspüren und vermitteln
können. Wie lösen wir das? Bei den Menschen gehört tatsächlich fast jeder Satz
in diese Kategorie. Es wird eigentlich nie etwas gesagt, ohne dass eine Emotion
mitschwingt. Aber eben das ist der Punkt: Sie schwingt mit. Unsere Aussagen
sind eigentlich immer gemischt: Denn selbst wenn wir Emotionen ausdrücken, tun
wir das noch immer in unserer Symbolsprache. Wenn man jemanden zu etwas drängen
will, wählt man bestimmte Begriffe und Betonungen, um die Dringlichkeit
auszudrücken. Aber im Fokus ist ja nicht, der Person mitzuteilen, dass man
gestresst ist. Sondern man möchte den Inhalt des Gesagten weitergeben. Das
Emotionale ist bei uns nur immer eine Einfärbung.
Bei Tieren ist das dagegen anders. Sie drücken ausschließlich ihre Emotionen
aus, eben durch Laute. Das ist alles, was in ihrer Sprache geht. Es gibt keine
Wissenschaft, Praktische Erfahrungen und Fantasien. Nur das, was man gerade
fühlt. Damit ist ihre emotionale Sprache aber auch differenzierter als unsere –
zumindest von den Lauten her. Wenn man es sich recht überlegt, funktioniert
unsere emotionale Sprache oft nur so wirklich auch mit der Symbolsprache. Denn
so extrem unterschiedlich sind unsere Laute gar nicht. Das „aw“ für etwas Süßes
klingt schon recht nah am „aw“ für Enttäuschung und so weiter. Aber wir
brauchen diese Lautsprache eben nicht unbedingt, wir haben ja die Symbole.
Cassirer nennt das den Unterschied zwischen einer emotionalen und einer
propositionalen Sprache.
Unsere Sprache ist propositional und objektiv, weil wir über die
Gegenstände um uns herum reden. Wie schon gesagt, geben wir allem auf dieser
Welt einen Namen, und damit arbeiten wir dann. Objektiv ist sie, weil sie alles
umfasst. Auch Sachverhalte außerhalb von uns. Die tierische Sprache ist dagegen
emotional und subjektiv. Über den eigenen Gefühlszustand geht es nicht hinaus.
Es gibt keinen Namen für Gegenstände, sondern es wird damit hantiert, was
gerade da ist. Denn für den aktuellen Moment ist nichts Anderes relevant. Und
das wirkt sich natürlich auch auf die Erkenntnismöglichkeiten aus. Wir Menschen
könnten im Grunde alles wissen, was vom Erdkern bis ins Weltall passiert. Also,
wenn die Technologie und alles Weitere existiert, natürlich. Von unserem Denken
her könnten wir aber etwas mit dem Wissen anfangen. Das Tier wird dagegen immer
nur wissen können, wie es ihm selbst geht. Vielleicht noch, was das Kind fühlt
und die Artgenossen um es herum. Aber das wars. Alles andere ist durch
Instinkte geregelt. Und das liegt im Wesentlichen am Unterschied zwischen
Symbolen und Zeichen.
Was ist ein Zeichen? Nach Cassirer haben alle Tiere nur Zugriff auf eine
Zeichensprache. Das läuft so ab, dass die Außenwelt dem Tier irgendein Signal
gibt. Zum Beispiel einen Geruch oder Geräusch. Nehmen wir einmal das Geräusch
herannahender Fressfeinde. Dieses Zeichen erreicht spontan und
unmissverständlich das Ohr des Tieres. Und dieses reagiert darauf, indem es
einen warnenden Schrei abgibt. Auch der steht genau für das, was er ist:
Für eine Warnung wegen herannahender Gefahr. Und die anderen Tiere reagieren
entsprechend. Das ist auch eine Sprache. Sie steht auch keineswegs so tief, wie
man denken könnte. Es gibt Tiere, die auf winzige Reize sofort reagieren, die
uns Menschen gar nicht auffallen würden. Gewisse Haustiere bemerken sofort an
dem Gang oder der Mimik von Menschen, ob es ihnen gut geht oder nicht. Das ist
eine Art von tierischer Intelligenz, die man nicht vernachlässigen darf.
Aber natürlich kommt sie trotzdem nicht an unsere heran. Was die Symbolsprache
so speziell macht, ist, dass sie kein physikalisches Äquivalent hat. Denkt an
die Zeichen. Das Signal für „Es gibt ein Geräusch“ kann gar nicht existieren,
wenn dazu nicht ein Geräusch kommt. Das ist ja ganz logisch. Der warnende
Schrei des Tieres kommt nicht aus Überlegung, sondern Angst. Und diese Angst
löst eben auch Angst bei den anderen Tieren aus. Das Zeichen selbst ist
das, was es ausdrücken soll. Die Symbole dagegen existieren nur in unserem Kopf
und können geäußert werden, ohne dass der entsprechende Gegenstand da ist.
Denken wir zum Beispiel an unsere Art der Warnung. Wenn man jetzt
herausnimmt, dass sie sehr laut geschrien werden würde. Aber nur von den Worten
her. Das Wort „Achtung“ oder „Gefahr“ hat physikalisch gar nichts mit dem zu
tun, was es beschreibt, nicht wahr? Es sind einfach nur Laute. Wer sie nicht
versteht, hat auch keine Angst. Aber wir können das Wort sagen, egal in welchem
Kontext wir uns befinden. Dagegen können wir die Emotion der Angst nur dann
tatsächlich aufbieten, wenn auch eine tatsächliche Gefahr droht.
Tiere sind also nicht einfach dümmer als wir Menschen. Klar, wir haben eine
stärkere Gehirnleistung, aber das allein ist nicht der Punkt. Man würde sagen,
dass das keine graduelle Frage ist. Tiere sind nicht „schlechter“ im Denken als
wir. Teilweise sind sie sogar ziemlich schnell! Affen können Werkzeuge benutzen
und Hunde verstehen die Gefühlslage eines Menschen teilweise besser als dessen
Mitmenschen. Ihnen fehlt aber einfach die Möglichkeit zur Reflektion, die wir
eben haben. Das macht Tiere zwar zu praktisch und situationsbezogen
intelligenten Wesen, uns Menschen aber symbolisch und allumfassend intelligent.
Der Weg zum Menschen
Aber Cassirer ist hier
noch nicht fertig. Es ist noch immer etwas schwer, eine exakte Grenze zwischen
der Zeichen- und der Symbolsprache zu ziehen. Wann beherrscht man die eine und
wann auch die andere? Wann und wie macht man als Mensch den Schritt? Denn das
würde uns auch bei unserer Hauptfrage zur Wahrheit helfen. Wenn die Sprache
unser Denken bestimmt, wann genau können wir dann richtig denken? Wann können
wir die Wahrheit suchen? Der Philosoph nimmt hier das Beispiel von Helen
Keller. Helen Keller war eine US-Amerikanische Schriftstellerin, die blind und
gehörlos war, also dementsprechend auch nicht reden konnte. Nun, wie kommt so
eine Person jetzt an die Sprache? Denn sie kann die Worte weder lesen, noch
hören oder aussprechen. Und wenn das nicht geht, sollte sie ja auch nicht
denken können, oder? Nach Cassirer kann man auf jeden Fall davon ausgehen, dass
sie in jungen Jahren nur Zugriff auf die Zeichensprache hatte. Ihre Erziehung
hatte verzögert begonnen, und sie konnte ja niemanden sehen oder hören. Es soll
aber dann im Alter von 7 Jahren mit ihrem Denkprozess losgegangen sein. Und
wie? Sie hat eines Tages das Konzept gelernt, dass alle Dinge auf dieser Welt
einen Namen haben. Und dann hat sie sich alles mit Berührungen auf ihrer Hand
buchstabieren lassen! So ein basales Konzept, nicht wahr? Aber das ist im
Grunde alles, was unsere Symbolsprache von der tierischen Zeichensprache
trennt. Deswegen können wir alles in unserem Kopf speichern. Deshalb können wir
Sachverhalte theoretisch angehen. Deswegen können wir alle Dinge auf dieser
Welt virtuell kombinieren. Deswegen sind wir Menschen und keine Tiere. Das
erste Wort von Helen Keller war wohl „Wasser“. Und damit hatte sie erkannt,
dass das Wasser nicht einfach nur diese eine Flüssigkeit jetzt gerade ist.
Sondern alle Dinge auf der Welt, die dieselben Eigenschaften haben.
Und auch sonst gibt es zwei wichtige Unterschiede zwischen der Zeichen- und der
Symbolsprache. Erstens ist unsere Sprache deutlich variabler und flexibler. Wir
haben nicht nur Synonyme für Wörter, sondern können sie auch umschreiben oder
übersetzen. Beim Signal geht das nicht: Es gibt für jede Situation genau ein
Zeichen, und das wird geäußert. Klar ist bei jedem Tier der Schrei in seiner
Höhe und anderen Faktoren etwas unterschiedlich. Aber so etwas wie, dass
„Angst“ und „Furcht“, dasselbe ist, aber komplett anders klingt, gibt es nicht.
Aber klar, es kann eben nicht viel Variation geben, wenn der Laut genau die
physikalische Welt wiedergeben soll. Denn Angst bleibt eben Angst, und Gefahr
Gefahr. Außerdem gibt es den Punkt der Kombination: Wir Menschen können alles
mit allem kombinieren und in Relation stellen. Tiere dagegen nur das, was auch
direkt aufeinander passiert. So wie die Angst durch eine Gefahr.
Das ist er also: Der Schritt zum Menschen. Man muss von der
situationsabhängigen zur universellen, der statischen zur variablen und der
getrennten zur zusammenhängenden Sprache kommen. Von subjektiv zu objektiv, von
emotional zu propositional. Und dann hat man den Schlüssel zur menschlichen
Gedankenwelt in der Hand. Wie Cassirer es sagt: Das „Sesam öffne dich“ des
Menschen. Und das ist durchaus eine Entwicklung, die man bei den Kindern
beobachten kann. In den ganz frühen Jahren lernen sie vielleicht schon die
Laute der Sprache. Aber oft werden Gegenstände zu Anfang noch so behandelt, als
wäre das Wort für sie ihr Eigenname. Also, als wäre die Uhr nur diese eine Uhr,
die eben zuhause hängt. Erst im Laufe der Zeit macht es irgendwann „klick“,
wenn das Kind erkennt, dass diese Laute keine Eigennamen sind, sondern
universelle Bezeichnungen. Und dann sind sie quasi „eine oder einer von uns“.
Trotz aller biologischer Ähnlichkeiten fehlt dieser Schritt bei allen anderen
Tieren. Unsere Kinder lernen die Symbolsprache irgendwann, Affen nicht. Woran
das genau liegt, können euch vielleicht eher Tierpsycholog*innen,
Sprachwissenschaftler*innen oder Biolog*innen sagen. Und viele mehr. Ich kann
nur sagen: Wir haben natürlich dieselbe biologische Abstammung. Aber alle haben
wir eben unsere Fähigkeiten. Einige Tiere haben scharfe Krallen, andere Flügel
und andere Schwimmhäute. Und wir Menschen haben eben unsere Symbolsprache.
Gut, was lernen wir von Ernst Cassirer? Er sagt, dass uns zwar unser Denken von
den Tieren abhebt, dieses aber nur durch die Sprache existieren kann. Sie ist
es also eigentlich, die den Unterschied macht. Denn ohne Sprache kann man nicht
denken – zumindest nicht wie wir in Symbolen. Es ist nämlich ganz wesentlich,
die Dinge zu benennen. Dadurch, dass wir jedem Gegenstand einen Namen geben, können
wir unabhängig von seiner Erscheinung über ihn reflektieren. Wir können uns an
ihn erinnern und ihn einspeichern. Er wird variabel und übersetzbar. Wir können
ihn mit anderen Wörtern kombinieren und theoretische Situationen kreieren. Und
damit wird unsere Welt deutlich weiter und reicher als die der Tiere. Diese
sind dadurch natürlich nicht dumm. Klar haben sie auch eine Sprache, sie müssen
ja kommunizieren. Aber es handelt sich hier um eine Zeichensprache, die nicht
mit Symbolen arbeitet. Tiere können nur ihren eigenen Gefühlszustand
kommunizieren, und zwar über Laute. Die Zeichensprache ist eben nicht
unabhängig von der realen Welt oder abgespeichert. Sie läuft immer wieder aufs
Neue ab, sobald es einen entsprechenden Reiz gibt. Und auch nur dann. Der
Warnschrei einer Herde wird jedes Mal abgegeben, wenn eine Gefahr erkannt wird.
Und er ist auch jedes Mal gleich. Die Tiere erinnern sich nicht daran und sagen
sich „Ah ja, dieser Schrei ist das Zeichen für die Gefahr“. Sondern sie haben
eben Angst und schreien deshalb. Und die anderen Tiere bekommen auch Angst und
das führt dazu, dass sie fliehen oder sich verteidigen können. Das also ist die
Sprache. Und deshalb ist sie für den Menschen, das Denken und die Wahrheit so
wichtig.
Die Sprache als der
Ursprung des Menschen
Diesen Wahrheitsaspekt
wollen wir uns aber noch genauer anschauen. Es gab da einen deutschen
Philosophen namens Wilhelm von Humboldt. Der Bruder des bekannten Alexander von
Humboldt. Falls euch der Name etwas sagt. Wilhelm war ein Sprachphilosoph,
wahrscheinlich auch einer der ersten, die sich so genannt haben. Und auch er
sagt bereits, dass Sprache deutlich mehr als nur ein Werkzeug ist. Wir denken
mit ihr und sie strukturiert unsere Welt. Durch sie nehmen wir Gegenstände aus
der realen Welt und fügen sie in unsere ein, zur Reflektion.
Was er aber sagt, ist, dass die Sprache sehr viel statischer gesehen wird, als
sie eigentlich ist. Genau so, wie wir alle etwas anders denken, sprechen wir
auch alle unterschiedlich. Natürlich hat jeder Begriff einen oder mehrere
Namen. Aber es ist nicht so, als wäre der Sprechakt nur einfach eine
Definitionsliste, von der abgelesen wird. Wenn wir uns einen Gegenstand
vorstellen, dann steht da in unserem Kopf nicht einfach der Name dazu, sondern
hunderte über tausende von Assoziationen. Und je nach Person und ihren Erfahrungen
unterscheidet sich das. Denken wir zum Bespiel an die Wolke. Wenn ich euch
diesen Begriff sage, was passiert dann in eurem Kopf? Einfach nur der statische
Begriff mit eben einer Wolke daneben? Nein, wir sind ja kein Lexikon! Es
entstehen viele unterschiedliche Eindrücke: Zuerst einmal ein Bild dazu. Und
schon da variiert es. Stellt ihr euch vielleicht eine komplett weiße Wolke vor,
wie sie an schönen Sommertagen zu sehen ist? Oder vielleicht eher graue
Gewitterwolken? Und dann ist dazu auch eine Sinneswahrnehmung. Entweder zu der
Wolke selbst oder dem Kontext. Vielleicht die Wärme des Sommertages. Oder Nässe
der Wolke. Und dann vielleicht auch eine Emotion: Traurigkeit oder Fröhlichkeit
oder irgendetwas dazwischen. Oder auch nichts. Aber für jeden Menschen sind
diese Eindrücke anders. Und sie sind auch nicht immer alle komplett bewusst.
Jetzt, da ich es gesagt habe, wahrscheinlich schon. Aber diese Assoziationen
könnten einfach unbemerkt bei euch hinten im Kopf gesessen haben. Hier sieht
man, wie wir als Menschen uns die Welt zu eigen machen. Denn unsere
spezifischen Assoziationen existieren ja nicht genau so in der Natur, sondern
sind künstlich. Und auch betrachten wir einen Gegenstand nie vollständig,
sondern nur teilweise. Eben den Aspekt davon, den wir gerade brauchen. Aber
sonst würde man ja auch nie fertig werden. Wir können ja nicht zu jedem
Gegenstand alles dazudenken, was ihn ausmacht und man mit ihm assoziieren
könnte. Und so grenzen wir auch eigentlich nie einen Begriff komplett zum anderen
ab. Also, beim Sprechen natürlich schon. Aber „Wolke“ heißt für uns immer
gleichzeitig „weich“, „fluffig“, „weiß“. Wir haben immer kleine Cluster aus
Eindrücken für jeden Begriff.
Deswegen sind auch Synonyme nie bedeutungsgleich mit dem Original: Sonst wäre
es dasselbe Wort! Denken wir an Begriffe wie „Pferd“, „Ross“ und „Hengst“. Man
könnte damit dasselbe meinen, tut man aber nicht. Also, ganz abgesehen von der
wissenschaftlichen Ebene. Dafür kenne ich mich zu wenig mit Pferden aus. Aber
wenn man als Laie darüber spricht, gibt es auch hier unterschiedliche
Bedeutungen. Wenn man „Hengst“ sagt, redet man wohl über ein besonders starkes
und wildes Pferd. Diese Bezeichnung gibt es ja teilweise auch für Menschen.
Redet man von einem „Ross“, wäre jetzt meine Assoziation ein Schlachtross.
Eines, das einem treu folgt und genau für den eigenen Zweck abgerichtet ist.
Eines, das speziell trainiert ist. Nun, und „Pferd“ ist natürlich ein sehr
offener Begriff, bei dem wahrscheinlich alle etwas anderes denken. Aber ihr
versteht, was ich meine.
Von Humboldt sagt, dass man keinen Begriff 1:1 in ein Synonym übersetzen kann,
geschweige denn, in eine andere Sprache. Deswegen gibt es ja auch sowohl in
einer Nation als auch international unterschiedliche Denkweisen und Philosophien.
Ihr kennt doch sicher auch das Sprichwort „Es ist, als würden wir eine
unterschiedliche Sprache sprechen“, oder? Das benutzt man, wenn man eine andere
Person einfach nicht versteht. Sprachlich schon, aber nicht von dem, was sie
sagt und tut. Und da ist wahrscheinlich mehr dran, als man denkt. Im Grunde
sprechen wir doch alle eine andere Sprache, nicht wahr?
Und hier schlagen wir den Bogen zur Wahrheit: Was will von Humboldt uns
eigentlich damit sagen? Dass es deutlich mehr als nur einen Weg zur Wahrheit
gibt! Alle Menschen denken anders, von daher ist es unmöglich, eine richtige
Richtung herauszuarbeiten. Keine Sprache führt langsamer oder schneller zur
Wahrheit als die andere. Damit ist sie ganz klar unser Weg zur Wahrheit. Auf
individueller Ebene eben.
Was sagt also Wilhelm von Humboldt? Genau wie Ernst Cassirer teilt er die
Ansicht, dass die Sprache hinter unserem Denken steht und uns als Menschen
ausmacht. Jedoch geht er tiefer in die Materie und sagt, dass wir im Grunde
alle unterschiedlich sprechen. Es steht zwar immer ein Begriff für einen
Gegenstand, aber immer, wenn man einen ausspricht oder sich ins Gedächtnis
ruft, kommen lauter persönliche Assoziationen dazu. Das führt so weit, dass
alle Synonyme gar nicht dasselbe heißen können. Denn sie betrachten den
Gegenstand alle aus einem anderen Blickwinkel in einem anderen Kontext. Man
kann nie etwas in seiner Gesamtheit anschauen, sondern pickt sich immer nur
einen Part heraus. Dadurch haben wir allerdings alle unterschiedliche
Denkweisen. Das macht die Sprache auf jeden Fall unersetzbar für den Weg zur
Wahrheit. Aber man kann dadurch keinen Weg, keine Sprache und kein Wort
ausschließen oder weniger gut bewerten als das andere. Jede Denkweise ist für
die Person, die sie denkt, richtig. Und so führen alle unsere Sprachen
gleichsam zur Wahrheit. Das nennt man auch die Philosophie der normalen
Sprache.
Die Philosophie als
Sprachwissenschaft
Der deutsche Philosoph
Ludwig Wittgenstein sieht das etwas anders. Er ist Vertreter der Philosophie
der idealen Sprache. Mit seiner Darstellung der Sprache fängt er ganz basal an:
Alles, was es überhaupt gibt, existiert und ist eine reale Tatsache. Wir haben
da draußen eine gegebene Welt, in der die ganzen Wahrheiten und Fakten stecken.
Jeder Gegenstand hat seine Eigenschaften und Zustände, die ganz unabhängig von
unserer Sprache existieren. Wir nutzen sie nur dazu, um von außen auf diese
Dinge zu schauen und ihre Relationen und Eigenschaften zu beschreiben. Nur
deshalb können unsere Sätze überhaupt wahr oder falsch sein.
Denn genau das ist es ja, was wir suchen: Möglichst viele wahre Sätze. Es ist
aber wichtig, sich vor Augen zu halten, dass unser eigenes Universum der
Sprache nicht selbst Gegenstand der Wahrheit ist. Es ist ein Mittel dazu. Das,
was wir erforschen, ist die Welt da draußen. Und Wittgenstein schaut sich auch
an, wie wir das eigentlich tun: In Sachverhalten. Was sind Sachverhalte? Ganz
einfach. Jeder Gegenstand ist irgendwie mit einem anderen kombinierbar. Jeden
Satz und jedes Wort kann man mit einem anderen verbinden. Einige dieser
Kombinationen ergeben Sinn, andere nicht. Regen hängt mit Gewitterwolken
zusammen, aber nicht mit Apfelbäumen. Und so arbeiten wir uns durch die Welt:
Was hängt miteinander zusammen? Wie viel hat der eine Satz mit dem anderen zu
tun? Ein System, in dem Dinge ineinandergreifen und logisch zusammenhängen, ist
dann ein Sachverhalt. Und die Menge aller Sachverhalte bewegt sich im großen
Raum der Logik. Im Grunde ist die Logik unsere gesamte Welt. Alle unsere Gedanken
sind logisch, auch wenn sie falsch sind. Alles an Sprache und Wahrheit, aber
auch Falschheit ist hier drin. Deshalb sagt Wittgenstein auch, dass man nichts
Unlogisches tun oder sagen kann, denn wir sind selbst logische Wesen. Und wenn
wir alle Sachverhalte richtig erfasst haben, sehen wir die komplette Welt. Aber
hier kommen wir noch einmal zur Sprache zurück und warum Wittgenstein diesen
Aspekt so betont: Wir müssen mit logischen Beweisen und Verwechslungen
aufpassen. Vor allem mit dieser hier: Sprache ist nicht dasselbe wie Wahrheit.
Nehmen wir einmal ein Beispiel. Das ist jetzt alles etwas abstrakt. Zunächst
einmal: wir als Menschen gehorchen alle den Regeln der Logik. Wir werden
irgendwann geboren und sterben irgendwann wieder. Wie alles Andere auf der
Welt. Und auch unser Denken ist logisch: Wir kennen die Regeln der Welt und
folgen ihnen Instinktiv. In diesem ganzen logischen System, in dem wir denken,
sehen wir Gegenstände in der realen Welt, wie Steine. Und über diese Steine
kann man wahre Aussagen treffen, wie „dieser Stein ist schwer“. Was aber
entscheidender ist, ist ihr Zusammenhang mit der Welt in einem Sachverhalt.
Wieso ist der Stein da? Woher kommt er? Und hat er auf seine Umwelt einen
Einfluss? Und wenn wir darauf Antworten gefunden haben, sind wir ein Stück
schlauer. Wir haben die Sprache benutzt, um darauf zu kommen, sind aber bei der
realen Welt geblieben. Denn egal, was wir denken: Der Stein bleibt da, wo er
ist und tut, was er tut. Das ist unabhängig von uns. Nehmen wir aber einmal das
Beispiel des Gottesbeweises. Alle, die die entsprechende Folge angehört haben,
wissen, wovon ich rede. Aber für den Rest: Es gibt viele Philosophen, die
bereits versucht haben, durch logische Argumente Gott zu beweisen. Aber diese
Argumente kranken oft an genau demselben Fehler: Sie versuchen, mit der Sprache
einen Beweis zu liefern, und nicht mit der Welt. Logisch, denn man kann Gott
auch nicht empirisch nachweisen. Nicht, dass man das muss, natürlich. Aber so
sagt der Theologe Anselm von Canterbury: „Man kann sich kein größeres Wesen
vorstellen als Gott. Wenn er aber größer ist als alles andere, muss er in jedem
Bereich präsenter und offenbarer sein. Das heißt, dass es ihn geben muss.“ So,
ganz verkürzt. Er beweist hier Gott aus dem Begriff Gottes heraus, ohne Bezug
zur Welt. Und deswegen geht dieser Beweis fehl.
Deshalb sagt Wittgenstein eben, dass man bei logischen Überlegungen immer
doppelt aufpassen muss. Auf der einen Seite müssen die Sachverhalte an sich und
logisch stimmen. Aber auf der anderen Seite müssen sie auch die Welt
widerspiegeln, denn sonst sind sie unsinnig. Und nicht nur das: Weil wir auf
unser Denken aufpassen müssen, müssen wir das auch bei der Sprache tun. Wittgenstein
ist nämlich nicht wie Wilhelm von Humboldt der Meinung, dass jedes Wort seine
Berechtigung hat und eben jede Person eine andere Sprache spricht. Nein, es
gibt gewisse Begriffe, die falsch verwendet werden. Besonders in der
Umgangssprache merkt man das, weil da die Bedeutung der Worte mit deren
praktischer Anwendung verschwimmt. Und das steigert sich hoch bis in die
Philosophie! Ein ganz bekanntes Beispiel ist Platon, der in seinem Werk „Der
Staat“ das Gute mit dem Gerechten als Synonym nimmt. Und klar sind diese
Begriffe ähnlich, aber sie sind nicht dasselbe! Gut ist nicht gleich richtig
und schlecht nicht gleich böse. Es gibt einen Grund, wieso es so viele
unterschiedliche Wörter gibt! Am Ende, so sagt Wittgenstein, ist die
Philosophie die Wissenschaft des Denkens und damit der Sprache. Während alle
Naturwissenschaften die Welt erforschen, müssen wir schauen, dass wir unser
logisches Konstrukt aufrechterhalten. Und es funktioniert nur ordentlich, wenn
die Sprache gut definiert und aufgestellt ist.
Deshalb plädiert der Philosoph für eine komplett logische Sprache. Die normale
Sprache des Alltags ist oft einfach nicht gut genug, um ordentliche Wahrheiten
herauszuarbeiten. Bei einer logischen Sprache gibt es keine hundert
verschiedenen Assoziationen mit einem Begriff, die pro Person variieren. Nein,
es gibt einen Gegenstand und einen Begriff dafür, der sich in alle Sprachen
übersetzen lässt. Denn die Wahrheit ist universell und unabhängig von der
Sprache überall gleich. Weder der Kontext noch das Individuum können daran
etwas ändern.
Was lernen wir also von Ludwig Wittgenstein? Natürlich ist die Sprache ein
wichtiges Werkzeug auf dem Weg zur Wahrheit. Und klar hängt sie so stark mit
dem Denken zusammen, dass es ohne sie gar nicht möglich wäre. Aber wir müssen
aufpassen, dass wir die Wahrheit vor lauter Sprache nicht aus den Augen
verlieren. Sie ist noch immer unser eigenes Universum, wie das Denken. Und da
wir das selbst aufgebaut haben, können wir es auch immer verbessern. Es kann
nämlich schnell passieren, dass wir neben unserer Welt die vergessen, die wir
eigentlich erforschen wollen. Und dann kommen eben falsche Schlüsse. Doch dafür
gibt es ja die Philosophie: Wir sind diejenigen, die etwas Ordnung in das Chaos
der Gedanken und der Sprache bringen. Was heißt welches Wort genau? Und wie
sollte man was verwenden? Was kann man worin übersetzen? Und wie führt uns das
alles zur Wahrheit? Letzten Endes ist eine logische und universelle Sprache
genau das, was jede Wissenschaft braucht.
Endstand
In Ordnung, dann fasse
ich einmal kurz zusammen. Wir haben diese Folge mit ziemlich vielen Fragen
begonnen, nicht wahr? Wie genau hängen Sprache und Wahrheit zusammen? Und was
ist diese Sprache eigentlich? Auf den ersten Blick kommt sie einem einfach nur
wie ein unabhängiges Werkzeug zum Aussprechen der Gedanken vor. Aber durch alle
drei Philosophen wurde schnell klar, dass sie maßgeblich für das Denken
verantwortlich ist. Für den Kern unseres Seins sogar. So sagt der Philosoph
Ernst Cassirer, dass die Sprache alles ist, was uns tatsächlich von dem Tier
unterscheidet. Dadurch, dass wir allem auf der Welt einen Namen geben können,
schaffen wir unser eigenes kleines Glossar, das uns unser Erinnerungsvermögen
und die Fähigkeit zur Reflektion gibt. Wir können über Gegenstände nachdenken,
die nicht da sind und sie auf theoretischer Ebene mit anderen kombinieren, auch
wenn das in der Realität gar nicht möglich wäre. Dadurch erhalten wir ein
umfassendes Bild von der Welt mit quasi unbegrenzten Erkenntnismöglichkeiten.
Im Gegensatz zum Tier, das nur die Zeichensprache beherrscht. Jedes Signal oder
Zeichen kann dabei nur zusammen mit einem physikalischen Ereignis kommen und
wird immer gleich beantwortet. Es gibt keine Erinnerung, keine Reflektion und
auch kein universelles System.
Aber die Frage war natürlich die nach der Wahrheit, und deswegen sind wir
gleich zum nächsten Philosophen weitergegangen. Und das war Wilhelm von
Humboldt. Er stimmt Cassirer in allen Punkten zu, geht aber noch einen Schritt
weiter. Und zwar ist unser Glossar der Sprache deutlich weniger statisch, als
man denken würde. Zwar geben wir tatsächlich allen Gegenständen einen Namen und
speichern sie damit. Aber wenn wir einen Begriff denken, hängt damit nie nur
eine einzige Assoziation zusammen. Wir verbinden mit jedem Gegenstand eine
Vielzahl von Wahrnehmungen, Gefühlen und anderen Fakten. Und das alles ist
höchst individuell. Je nachdem, was man im Leben so erfahren hat, denkt man auf
eine gewisse Weise. Auch die unterschiedlichen Sprachen der Welt formen das
sehr stark. Und dadurch sprechen wir theoretisch alle eine verschiedene
Sprache, weil man nie genau dieselben Assoziationen mit einem Begriff haben
kann wie die andere Person. Das führt auch dazu, dass sich unser Weg zur
Wahrheit unterscheidet. Wenn jede Person anders denkt und anders spricht,
variiert auch, wie sie zur Wahrheit kommt. Es gibt aber auf jeden Fall für alle
Menschen auf der Welt einen Zugang dazu. Niemand ist durch die eigene Sprache
dümmer oder schlauer als die oder der Andere. Aber es lässt sich eben weder
etwas ausschließen noch hervorheben.
Ganz anders sieht das der Philosoph Ludwig Wittgenstein. Und das, obwohl auch
er den Vorherigen in fast allen Punkten zustimmt. Die Sprache macht uns zum
Menschen und jeder spricht und denkt ein bisschen anders. Aber das heißt nicht,
dass das eine gute Sache ist. Für die Alltagswelt ist das ja kein Problem. Aber
für die Wissenschaft und besonders die Wahrheit braucht man ein System. Es ist
nämlich alles ganz logisch strukturiert. Es gibt die Außenwelt, und ganz
unabhängig von uns enthält sie schon alle Wahrheiten. Wir müssen sie eben suchen.
Deswegen müssen wir darauf achten, dass unser Denken und die Sprache ganz genau
diese Welt abbilden. Denn wenn wir nur über die Sprache gehen, erreichen wir
nichts außer Zirkelschlüsse. Ich habe euch das am Beispiel der Gottesbeweise
gezeigt. Gott ist allmächtig, weil wir ihn begrifflich so beschreiben. Von
daher braucht es eine logische Sprache. Jedes Wort muss eine genaue und
universelle Bezeichnung haben und in alle Sprachen übersetzbar sein. Und nichts
darf einfach als Synonym bezeichnet werden, was nicht absolut dasselbe ist.
Sonst kommt man am Ende auch wieder bei Fehlschlüssen heraus. Platon hat sich
zwar durch Argumentationen und Differenzierungen gerettet, aber die
Gerechtigkeit mit dem Guten gleichzusetzen, war ein Fehler. Es ist die Aufgabe
der Philosophie, solche Irrtümer beiseitezuräumen und unsere wissenschaftliche
Sprache zu sortieren. Denn nur so können alle anderen Wissenschaften und auch
die Philosophie selbst richtig arbeiten. Und nur so können wir die Wahrheit
auch tatsächlich erkennen.
Konklusion
Gut, kommen wir zu einer
Konklusion. Die Sprache hängt offenbar nicht nur mit der Wahrheit zusammen,
sondern auch mit dem Denken und unserer gesamten Lebenswelt. Ohne sie hätten
wir gar keine Chance, irgendetwas zu erkennen. Man kann so weit gehen zu sagen,
dass die Sprache nicht nur mit unserer Welt zusammenhängt, sondern unsere Welt ist.
Jedoch müssen wir schauen, dass wir sie nicht einfach ungefiltert so hinnehmen,
wie sie ist. Sprache ist eine menschliche Schöpfung und wir machen Fehler. Die
Wahrheit steckt nicht irgendwo bei uns, sondern sie ist da draußen! Wir haben
hier keine Realität erschaffen, sondern eine Möglichkeit, die Realität zu
verstehen. Und deshalb müssen wir die Sprache pflegen. Zumindest, wenn wir
hinter der Wahrheit er sind. Genau das ist es schließlich, was wir Philosophen
machen: Die Gedanken zu sortieren. So wie wir am Anfang nicht wussten, wo wir
mit der Sprache überhaupt anfangen sollen, wissen wir auch jetzt noch über
viele Wörter nicht genau Bescheid. Was ist Sinn? Was ist gut? Was ist Gott? Was
ist Zeit? Ich würde behaupten, dass genau dafür dieser Podcast da ist. Für ein
bisschen Ordnung in dieser riesigen Welt der Sprache.
So, und das war meine
Folge über die Sprache. Eine sehr interessante Recherche war das. Ich hätte
gedacht, dass die Antwort darauf sehr viel offensichtlicher sein würde. Aber
ich wurde doch noch überrascht. Lasst mich auf jeden Fall wissen, was ihr
denkt. Ich denke, in der heutigen Abstimmung mache ich nach diesem komplexen
Thema einmal etwas Einfaches. Wie viele Sprachen könnt ihr so? Ich glaube, dass
es sehr bereichernd ist, zu wissen, wie andere Sprachen so aufgebaut ist. Wie
denken die Leute, die damit aufgewachsen sind? Denn am Ende hat von Humboldt
schon einen Punkt: Wir haben eben keine komplett logische Sprache ohne
Assoziationen. Am Ende denken wir eben alle anders und reden auch so.
Lasst gern einen Kommentar da, was ihr denkt! Wenn ihr übrigens gerne die Blogbeiträge in Audioform hören, mich erreichen oder mir vielleicht sogar eine kleine Spende dalassen wollt, findet ihr alle Links dazu in meinem Linktree.
Gut, und das war alles.
Macht es gut, einen schönen Tag noch!
Quellen
„Versuch über den Menschen“
– Ernst Cassirer
„Schriften zur Sprache“ –
Wilhelm von Humboldt
„Tractatus Logico-Philosophicus“
– Ludwig Wittgenstein
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