#34 Der Konfuzianismus: Fernöstliche Philosophie

Zusammenfassung

Vor einiger Zeit haben wir uns den Buddhismus als alternative Denkweise zur westlichen angeschaut. Aber im fernöstlichen Raum ist das natürlich bei weitem nicht die einzige Philosophie. Mit Konfuzius kommt ungefähr in der Zeit des Sokrates im fernen China eine Philosophie, wie sie simpler nicht sein könnte. Seid artig, gut zu euren Eltern, grüßt Leute auf der Straße und zeigt Respekt gegenüber jeder Person. Füllt euren Platz aus, den die Gesellschaft euch gegeben hat und denkt nach, bevor ihr sprecht oder handelt. Dann werdet ihr ein gutes Leben haben, einen Sinn, und ein guter Mensch sein. So einfach ist es scheinbar. Und doch sind es Dinge, die nach Konfuzius kaum einer bisher geschafft hat. Dem chinesischen Philosophen geht es nicht um die großen Fragen, denn die sieht er als unbrauchbar an. Was ihn umtreibt ist die Suche nach dem guten Leben. Hier erhalten wir wieder einen kleinen Anblick in die fernöstliche Philosophie, der sich sehr gut an den Buddhismus anfügt.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Hallo zusammen und herzlich willkommen zurück zu einer weiteren Folge von „Philosophie für zwischendurch!“

 

Einleitung

Mein Gott, die Reise, die diese Folge hinter sich hat! Dreimal habe ich schon angesetzt, und dreimal wieder aufgehört. Der erste Anfang war nach der Folge darüber, ob sich die Philosophie verändern soll. Übrigens sehr hörenswert. Dann habe ich aber abgebrochen, weil ich mir erst einmal eine Pause mit dem Podcast gönnen wollte. Die Instagram-Follower erinnern sich vielleicht an meine kurze Story. Naja und dann habe ich fast direkt wieder angefangen, aber die Folge zum Optimismus, Pessimismus und Realismus vorgeschoben, weil ich darauf plötzlich richtig Lust hatte. Auch eine schöne Folge. Und dann, als ich mich noch einmal drangesetzt hatte, war ich am Ende nicht zufrieden. Zu oberflächlich, zu wenig Material und zu kurz. Also habe ich erst einmal abgebrochen und die Folge zum Egoismus produziert. Und auch die kann ich empfehlen. So, und jetzt, nach diesen ganzen Anläufen, kommt sie tatsächlich raus: Meine Folge zu Konfuzius und seiner Philosophie.
Ganz genau, es soll nämlich wieder um eine Philosophie aus einem anderen Teil der Erde gehen. Wenn ihr die Folge zum Buddhismus schon kennt, wisst ihr, was das für einen Unterschied machen kann. Philosophie ist nicht gleich Philosophie. Und das wirkt vielleicht komisch, weil ich ja schon so viele unterschiedliche Folgen gemacht habe. Vor allem mit den ganzen entgegengesetzten Meinungen. Was diese Meinungen aber alle gemeinsam haben, ist ihr Ursprung: die westliche Welt. Sei es das alte Griechenland, Deutschland, Frankreich, oder die USA. Es sind alles unterschiedliche Perspektiven. Aber sie haben alle dasselbe Verständnis von Philosophie. Denn selbst der Grundsatz, einfach nur alles zu hinterfragen, muss nicht universell sein. Was ist also eine andere Weise zu denken? In einer der älteren Folgen habe ich euch den Buddhismus vorgestellt. Auch der war schon sehr unterschiedlich zu unserer Philosophie. Aber aus dem fernöstlichen Raum kommt eine weitere wichtige Philosophie: Der Konfuzianismus. Die Lehre des chinesischen Philosophen Konfuzius. Heute möchte ich mir die mit euch einmal etwas genauer anschauen.

 

Konfuzius

Wer war dieser Philosoph eigentlich? Konfuzius hat von 551 v. Chr. bis 479 v. Chr. gelebt. Zumindest, soweit man weiß. Zur zeitlichen Einordnung: das sind ungefähr 80 Jahre vor Sokrates. Aber anders als dieser kam er natürlich nicht aus Griechenland, sondern dem Osten Chinas. Konfuzius war ein traditioneller chinesischer Philosoph und vor allem Ethiker. Zu seiner Zeit waren die auch sehr verbreitet: Konfuzius wurde in ein China voller politischen Unruhen hineingeboren. Das Land war durchzogen von Kriegen, weil sich die vielen unterschiedlichen Dynastien alle gegenüberstanden. Und damit kommen natürlich viele Systemänderungen, Grenzverschiebungen und Wertewandel. China war schon immer ein sehr traditionsreiches Land. Und jetzt, da diese Werte so sehr in Frage gestellt waren, wussten die Leute teilweise gar nicht mehr, was sie tun sollten. Was ist jetzt richtig und falsch? Welcher Herrscher ist gut und wer ist schlecht? Wozu genau wird hier gekämpft? Welche Werte sind valide, welche nicht? Daher waren Denker wie Konfuzius in diesen Zeiten immer sehr willkommen von der Bevölkerung. Sehr ähnlich zu den antiken Griechen mit ihren Sophisten. Doch trotzdem wurde Konfuzius verfolgt. Denn den Herrschern hat es natürlich gar nicht gefallen, dass er an ihrer Legitimität herumgegraben hat. Gewisse Fragen konnten sie sich nicht leisten. Und doch hat es der Philosoph geschafft, bis ins hohe Alter seine Lehren zu verbreiten. Bis er schließlich in den Armen seiner Schüler starb.

 

Konfuzius‘ Ethik

Konfuzius war ein Mann aus einfachen Verhältnissen, der nie nach der großen Wahrheit gesucht hat. Er hat auch nie behauptet, sie zu kennen. Was ihm am Herzen lag, war das Leben des Einzelnen. Wie schafft man eine Ethik, durch die alle ein glückliches Leben führen können? Fragen nach dem Sinn des Lebens oder dem Wesen des Menschen interessieren ihn dagegen weniger. Konfuzius ist der Meinung, dass solche Fragen nur vom Glück ablenken würden. Sie würden auch zu nichts führen, also warum sollte man sie überhaupt stellen. Nein, es geht ihm wirklich nur um das gute Leben. Das bestechende an Konfuzius‘ Philosophie ist, wie simpel sie ist. Ein gutes Leben ist für den Philosophen nämlich keineswegs ein weit entferntes Ziel. Es sind die kleinen Dinge, die einen dort hinbringen. So sagt der Philosoph, dass man auf die Menschen um einen herum achten soll. Wenn ihr das nächste Mal einer Person auf der Straße entgegenkommt, lächelt einfach mal und begrüßt sie. Wenn ihr an einer armen Person am Straßenrand vorbeikommt, warum nicht ein kleines bisschen Geld geben? Denkt darüber nach, wie viel verschiedene Leute in eurem Alltag eigentlich für euch tun: Falls ihr Bus fahrt, bringen euch die Fahrer überall hin. Die Leute hinter der Kasse in einem Supermarkt sorgen dafür, dass ihr euer Essen kaufen könnt. Eure Chefs, Professoren oder Lehrer stehen jeden Tag auf, um euch anzuleiten und eine Richtung zu geben. Warum dann nicht einfach einmal ,,danke“ sagen? Denkt an eure Eltern. Diese Leute sind schon so lange für euch da und haben so viel geopfert. Habt das im Hinterkopf bei jeder Interaktion. Seid nett zu den Leuten, die ihr zu eurem Kreis zählt. Und wenn ihr das tut, ist das schon gut genug. Hört auf die Menschen um euch herum, achtet auf euch und eure Taten. Und dann ist der Weg zu einem guten Leben nicht mehr weit.

 

Eine simple Philosophie

Das ist alles. Aber Moment, das lassen wir nicht einfach so stehen. Denn es klingt schon etwas vage, nicht wahr? Was genau soll man denn jetzt tun? Und vor allem, warum? Was sich einige von euch vielleicht jetzt auch fragen, ist, warum Konfuzius dann eigentlich so bekannt geworden ist. Denn es klingt ja auf den ersten Blick wirklich nicht nach einer bahnbrechenden Philosophie. Glaubt mir aber, genau das macht sie so genial. Trotzdem gibt es natürlich noch mehr an Hintergründen und Erklärungen des Konfuzius. Und die schauen wir uns jetzt an. Es gibt da dieses Werk namens „Lunyu“. Falls Leute hier chinesisch können: Ich hoffe, dass ich das richtig ausspreche und jetzt gleich richtig übersetze. Aber Lunyu ist eben chinesisch und heißt so viel wie „gesammelte Wörter“, oder etwas weiter übersetzt: „Gespräche“. Und genau das ist es auch. Ihr müsst wissen, Konfuzius hat sein ganzes Leben lang nie etwas aufgeschrieben. Genau wie Sokrates hat er alles nur mündlich weitergegeben. Zwar hat er dabei stellenweise Bücher benutzt, aber die sind alle erwiesenermaßen nicht von ihm selbst. Deshalb spielen die hier in der Folge eher keine Rolle. Das Lunyu ist eine Zusammenstellung von Aussprüchen des Konfuzius. Verschiedene Schüler von ihm haben daran gearbeitet, und es wurde über die Jahre oft überarbeitet.
Man sieht direkt, dass für Konfuzius die Einhaltung der guten Sitten an erster Stelle steht. Es sind traditionelle Werte aus dem alten China, die er für richtig befindet. Das sind die Grundwerte, die hinter jeder Handlung stehen müssen. Der Philosoph ist der Meinung, dass man daneben nicht extra nach einer Moral und einem Sinn suchen muss. Denn all diese Fragen werden in diesem Rahmen bereits geklärt. Der Sinn des Lebens ist es, nach diesen Regeln zu leben, ein guter Mitmensch zu sein und glücklich zu werden. Und da diese Werte das erreichen, sind sie auch gut. Es lohnt sich nicht, ein abstraktes, gekünsteltes Konzept von Moral auszugraben, wenn wir die Antwort schon direkt vor uns haben! Interessant, nicht wahr? Denn für einen westlichen Denker klingt das gar nicht mehr so sehr nach Philosophie. Das wirkt fast eher wie jemand, der sich die guten alten Zeiten zurückwünscht. Ist das also halt einfach chinesische Philosophie? Nein, natürlich nicht. Es gibt einen Unterschied zwischen Konfuzius und Leuten, die sich unreflektiert eine andere Zeit zurückwünschen. Der Philosoph denkt nämlich gar nicht an eine bestimmte Zeit. Er hält auch keine spezifischen Regelungen hoch. Konfuzius sagt nichts dazu, wie sich bestimmte Leute zu kleiden haben. Er sagt nicht, wer wann wo sprechen darf. Und es geht auch nicht darum, bestimmte Gruppen zu unterdrücken. Überhaupt hat Konfuzius einen sehr guten Grund, wieso er die eigene Vorstellung von Sittlichkeit hat. Der Philosoph überlegt nämlich ganz genau, was eine Gesellschaft eigentlich tun soll. Was ist das Ziel, solche Sitten zu haben? Und seine Antwort ist, dass eine Gesellschaft jeder Person einen Platz und einen Sinn in ihr geben soll. Und die Sitten sind essentiell dafür, dass sie funktioniert. Es geht nicht darum, eine Gruppe zu unterdrücken und so ein Machtsystem aufzubauen. Auch wenn Konfuzius ein traditionelles Gesellschaftsbild mit einer herrschenden Klasse im Kopf hat. Das spielt aber alles keine Rolle, weil jede Person dieselbe Möglichkeit hat, ein gutes Leben zu führen. Der reichste Herrscher ist darin nicht vor dem ärmsten Bauern privilegiert. Denn alle haben einen Anspruch und ein Recht auf Respekt und Ehre. Alle machen ihre Aufgabe, und halten nur deshalb die Gesellschaft am Laufen. Das ist ein weiterer Rat des Philosophen: Überlegt euch, was ihr für euer Umfeld, und für die Gesellschaft im Großen und Ganzen tut. Oder einmal tun wollt. Und dann: Tut einfach genau das. Arbeitet eifrig in dem Gebiet, das euch Spaß macht und lernt dazu, so viel ihr könnt. Denn mehr kann niemand von euch verlangen, und mehr müsst ihr auch nicht leisten. Konfuzius sagt, dass die Regeln der Sittlichkeit jeder Person ihren Sinn und ihre Möglichkeit zum guten Leben geben. Und da sieht man, warum Konfuzius da nicht weiterfragt. Was diese Regeln außerdem noch so speziell macht, ist ihre Natürlichkeit. Hier können wir wieder zu dem unreflektierten Konservativen gehen. Wenn man einer bestimmten Personengruppe gleiche Rechte verwehrt, eine andere hervorhebt, und andere kleine traditionelle spezifische Regeln hat, ist das künstlich und forciert. Denn alle Menschen sind im Grunde gleich. Und eine Gesellschaft, in der bestimmte Menschen unterdrückt werden, gibt nicht mehr allen dieselbe Chance auf ein glückliches Leben. Konfuzius‘ Wertevorstellungen sind nicht forciert oder künstlich. Sondern sie sind ganz intuitiv. Sie umfassen genau das, was wir auch für richtig halten, und was uns universell vernünftig vorkommt. Und deswegen wäre es falsch, den Konfuzianismus wie eine Religion alter chinesischer Sitten zu betrachten.

 

Zwischenstand

Gut, belassen wir es dabei. Was sind denn jetzt eigentlich die Werte, von denen Konfuzius redet? Was genau will er von den Menschen? Ich habe euch schon einige Sachen gesagt, aber vielleicht trage ich es besser noch ein bisschen zusammen. Es ist nicht viel. Aber trotzdem keineswegs einfach. Zunächst einmal ist es wichtig, den eigenen Platz in der Gesellschaft zu kennen: Keine Sorge, ihr habt einen. Denn niemand wird zurückgelassen. Und was immer er ist oder sein wird: Er ist es wert, zu existieren und geachtet zu werden. Aber fokussiert euch im Leben vor allem auf das, was ihr gerne tut. Und seid dabei immer offen für Neues. Man weiß nie, wie man sich verändert, und was einem gefällt. Und wenn ihr dann gefunden habt, was ihr tun wollt, und worin ihr gut seid, werdet besser. Bleibt dabei und arbeitet fleißig. Findet Freunde und Gleichgesinnte, die euch unterstützen und eure Weltsichten teilen. Sie sind unter den wertvollsten Menschen in eurem Leben. Noch wichtiger aber: Eure Familie. Die Leute, die euch in diese Welt und euren Platz in dieser Gesellschaft gebracht haben. Es ist wichtig, die Eltern bei allen Taten zu priorisieren. Niemandem aus der Familie sollte man unnötig Sorgen bereiten oder im Stich lassen. Und wenn sie alt und schwach sind, soll man für sie sorgen. Genau wie man wollen würde, dass sich die eigenen Kinder einmal um einen kümmern. Seid treu gegenüber den eurigen! Freunde, Familie und Kollegen: Mit diesen Leuten hat man einen Bund, den man respektieren muss. Diese Menschen unterstützen euch, sind für euch da und haben schon viel für euch getan. Habt das immer im Sinn, wenn ihr mit einem davon interagiert. Aber egal, was ihr tut: Denkt davor darüber nach! Prüft immer genau, was ihr sagen oder tun wollt, bevor ihr es sagt oder tut. Denn Worte und Taten können, wenn sie nicht weise gewählt sind, viel Schaden anrichten. Für euch, oder eure Mitmenschen. Also, selbst wenn es nichts Großes ist, geht kurz in euch: Was wollt ihr gerade tun? Was ist der Plan? Und warum ist das der Plan? Wie sind die Konsequenzen davon? Ergibt das alles Sinn? Ist das eine kluge und gute Handlung? Es kann sehr viel ausmachen, sich diese Fragen zuerst zu beantworten. Seid außerdem auch maßvoll. Man soll sich nicht zu sehr einschränken. Aber es ist ein Fakt, dass es gewisse Dinge gibt, die man nicht erreichen kann, und die einem nicht zustehen. Strebt sie dann auch nicht an. Das würde nur Leid über euch bringen. Und es blendet einen auch, weil man nicht sieht, was man schon hat. Denkt darüber nach, wo im Leben ihr gerade seid und was ihr tut. Ist das nicht ein extremes Glück, das ihr habt? Mit den Leuten zu sein, die man mag, die Dinge zu tun, die einem Spaß machen, und Leute zu haben, die einen brauchen. Eigentlich, könnte man denken, ist das schon gut genug. Überdenkt nicht immer alles zu sehr, wenn ihr dazu neigt. Man muss kein extrem gebildeter Mensch sein, um glücklich zu sein. Die, die nach dieser perfekten Sittlichkeit leben, sind nach Konfuzius ohnehin weiser als alle Philosophen. Denn diese Menschen haben das eine Lebensziel erreicht: Glück.
Eine Gesellschaft, in der das alle tun, ist nicht nur glücklich, sondern auch stabil. Ein zufriedener Mensch wird niemals die Hand gegen die Obrigkeit erheben und drohen, das System zu stürzen. Und eine zufriedene obere Schicht wird auch nicht ihre Macht missbrauchen. Konfuzius geht sogar so weit, dass es in einer solchen Gesellschaft gar keine Gesetze mehr bräuchte. Denn auch sie sind im Grunde künstlich forcierte Werte, die nur bei einer nicht-funktionalen Gesellschaft gebraucht werden. Die Sitten tun nämlich bereits alles selbst: Sie schaffen eine Ordnung, geben jedem seinen Platz und Regeln, wie man friedlich und gut leben kann.
Was lernen wir also von Konfuzius? Er ist ein Philosoph, der nicht den großen Fragen nachforscht. Die Suche nach dem Sinn des Lebens und der absoluten Wahrheit: Das sind Dinge, die einen nur von dem ablenken, was eigentlich zählt, dem guten Leben. Und so, so meint der Philosoph, findet man es auf jeden Fall nicht. Denn die Antwort liegt eigentlich genau vor uns: in den traditionellen Sitten und Werten. Dann die waren genau darauf ausgelegt, jeder Person ihren Sinn, Platz und ihr Glück zu geben. Wenn nur jeder eifrig ist bei dem, was er tut. Wenn nur alle sich mit Gleichgesinnten, Freunden und Familie umgeben. Wenn nur alle treu und gut zu den Ihrigen sind. Wenn nur alle nachdenken und reflektieren, bevor sie etwas tun. Wenn nur alle zufrieden sind mit dem, was sie haben und maßvoll leben. Dann haben wir eine Gesellschaft aus guten und glücklichen Menschen. Dann brauchen wir keine Gesetze und Machtkämpfe mehr. Dann müssen wir auch nicht mehr alles hinterfragen. Dann könnten wir alle friedlich leben. Konfuzius sagt, dass eine gewisse Weisheit darin steckt, diese eigentlich sehr simplen Regeln zu meistern.

 

Sokrates

So viel also zu Konfuzius. Er hat mit seiner Philosophie sehr weite Teile des fernöstlichen Raums beeinflusst. Neben dem Buddhismus, Daoismus ist er definitiv einer der bedeutendsten Philosophen dort. Doch wie steht der Konfuzianismus jetzt neben der westlichen Philosophie? Kann man da Vergleiche anstellen? Ich möchte Konfuzius vor allem mit Sokrates gegenüberstellen. Denn beide symbolisieren mehr oder weniger den Beginn der Philosophie in ihren Einflussgebieten. Und damit ist ihre Art zu denken essentiell für alles, was danach kam. Ohne natürlich sagen zu wollen, alle fernöstliche Philosophie wäre quasi Konfuzianismus, oder alle westliche Philosophie von den antiken Griechen.
Interessant ist, wie ähnlich sich die beiden Philosophen in dem waren, was sie getan haben. Beide waren reisende Lehrer, die kostenlos die Leute unterrichtet haben. Ihr gemeinsames Ziel war nämlich nicht das Geld oder der Ruhm, sondern die Wahrheit. Auch haben sie vor Scharlatanen oder Sophisten gewarnt. Denn solche Leute waren sowohl im alten Griechenland als auch im alten China sehr verbreitet. Konfuzius und Sokrates haben beide in sehr instabilen Zeiten gelebt. Es gab Kriege, unsichere politische Systeme, und eine generelle Frage nach einer Richtung und dem Guten. Es wurde überall nach Philosophen wie ihnen gesucht. Und doch wurden beide für ihre Arbeit verfolgt. Denn sie haben einfach zu viel hinterfragt und an Stellen nachgebohrt, die die herrschenden Klasse lieber geschlossen halten wollte. Während Sokrates dafür zum Tode verurteilt wurde, konnte Konfuzius dem Zorn seiner Gegner nur knapp entkommen. Auch haben beide nichts aufgeschrieben, sondern haben frei weg oder auch mit anderen Büchern unterrichtet. Später wurden sie auch beide von ihren Schülern in Dialogform wiedergegeben.

 

Griechische Philosophie

Interessante parallelen, nicht wahr? Sicher gibt es auch Unterschiede in ihren Leben, aber es gibt deutlich mehr Überschneidungen, als man zuerst denken könnte. Und doch haben diese Philosophen doch recht unterschiedliche Dinge von sich gegeben. Konfuzius hinterfragt zwar sehr viel, aber macht bei gewissen Fragen Halt. Die Suche nach dem Sinn des Lebens oder dem Sinn hinter den Sitten befindet er als unnötig. Gefährlich sogar. Denn das würde einen nur dabei stören, an seinem Leben zu arbeiten. Ein guter Mensch zu sein. Und wenn wir nach ihm gehen, ist das auch ein logischer Schluss. Es scheint ja so zu sein, dass die Traditionen selbst der Sinn des Lebens sind. Dann bringt es ja nichts, das weiter zu hinterfragen! Denn was ist, wenn man zu dem in dem Fall falschen Schluss kommt, dass es etwas Anderes gibt? Dann würde man die Sitten für unnötig befinden und aufhören, ihnen zu folgen. Und dann verliert man sich vielleicht auf seinem Weg, verliert jegliches Gefühl für Sinn und Moral und steht wieder am Anfang. Was ist, wenn der Herrscher plötzlich entscheidet, dass er das Herrschen gar nicht mehr als sinnhaft ansieht? Vielleicht verlässt er die Stadt dann und sucht seinen eigenen Sinn. Und was machen die Leute dann? Alles verfällt im Chaos, und alle Gleichgesinnten, Freunde und die Familie der Person würden im Stich gelassen werden. Das wäre nach Konfuzius nicht nur eine Tragödie für den Herrscher, sondern auch für Gesellschaft, und damit inakzeptabel und egoistisch. Nur wenn man eine sichere Basis akzeptiert, kann man wirklich daran arbeiten, ein guter Mensch zu sein und ein gutes Leben zu führen.
Bei Sokrates wäre so eine Einstellung undenkbar. Er hat immer gepredigt, dass man nichts für selbstverständlich nehmen, und alles hinterfragen soll. Was, wenn die Traditionen gar nicht so gut sind, wie sie vorgeben? Und wie können sie der Sinn des Lebens sein, wenn sie noch nicht immer existiert haben? Wenn der Mensch den Sinn des Lebens also wohl selbst erschaffen hat, warum kann er es nicht nochmal tun? Und so weiter. Vielleicht kennt ihr meine Folge zu Sokrates schon. Erinnert euch: Er war derjenige, der zu allen Menschen auf der Straße gegangen ist und sie dazu gebracht hat, alles zu hinterfragen, was sie taten. Denn wenn am Ende noch Fragen offen sind, wie kann man sich sicher sein, das Richtige zu tun? Sokrates ist der Meinung, dass man erst dann ein wirklich vollkommenes Leben führen kann, wenn man all dessen Rätsel gelöst hat. Das war für ihn überhaupt der Grund, sich auf die Suche nach der Wahrheit zu begeben. Hier sehen wir also einen großen Unterschied zwischen der Philosophie des Sokrates und der des Konfuzius: Die eine sieht das Hinterfragen als notwendig für, und die andere als Gefahr für das gute Leben.
Man sieht diesen Unterschied auch darin, wie die Philosophen mit Begriffen umgehen. Also ganz Gewöhnlichen wie „Freund“ oder „treu“. Konfuzius verwendet keine Zeit darauf, eins dieser Worte genauer zu definieren. Muss er auch nicht: Er bringt rüber, was er rüberbringen will, und jeder versteht ihn. Im Lunyu sind nur Aussprüche und Ratschläge, aber keine tiefergehenden Analysen. Aber selbst, wenn es so eindeutig scheint, was ein Freund und ein Kollege sind. Selbst wenn jeder weiß, was eine Familie ist: Für Sokrates wäre das nicht gut genug. Was ist, wenn allein da schon ein Irrtum vorliegen sollte? Was genau bedeuten diese Begriffe wirklich? Denn nehmen wir an, dass „Freunde“ eigentlich etwas anderes heißt als wir gedacht haben. Dann müssten wir noch einmal überdenken, zu wem genau wir gut sein sollen. Auf der einen Seite kann es sein, dass alles klarer ist und besser differenziert. Aber die Gefahr ist auch, dass man alles unnötig kompliziert macht. Für die Massen ist der Ansatz des Konfuzius wahrscheinlich besser geeignet. Aber es entspricht eben nicht dem sokratischen Geist, so viele Dinge vorauszusetzen und für selbstverständlich zu nehmen.
Was in der antiken griechischen Philosophie auch eher seltener auftaucht, ist der starke Bezug zu Traditionen. Die alten Griechen haben im quasi luftleeren Raum nach ihren Antworten geschaut. Denn die alten Werte waren es ja gerade, die in Frage standen. Wenn sie so richtig wären, gäbe es die Philosophie wohl nicht. Deswegen spielt es hier auch keine Rolle, ob die neuen Werte natürlich oder künstlich sind. Sie müssen eben wahr und richtig sein. Man sieht das ganz gut an dem Werk „Der Staat“ von Platon. Dem Philosophen schwebt eine Gesellschaft vor, in der alles moralisch Schlechte konsequent vom Staat ferngehalten wird. Gewisse Gedichte und Lieder werden verboten, andere vorgeschrieben. Auch ist der Wert der Familie eher weniger relevant: Die Herrscherklasse soll isoliert und allein trainiert werden. Familien gibt es nicht, sondern man teilt die Kinder untereinander auf. Um die Erziehung möglichst effizient zu machen. Es spielt keine Rolle, wer die Eltern sind, denn man ist allen Menschen in dem Staat gleich verpflichtet. Da man sich nicht auf gemeinsame gesellschaftliche Traditionen stützt, werden Gesetze auf den Plan gerufen. Und wenn ihr euch erinnert, kann sich Konfuzius sogar vorstellen, komplett ohne zu leben. Falls ihr übrigens mehr von Platons Staat hören wollt, empfehle ich meine Folge „Was ist die richtige Regierungsform?“ Aber an dieser Stelle reicht es erstmal.
Ein weiterer Unterschied ist auch der Anspruch der Philosophie in ihren Fragen. Nicht nur fragt Konfuzius nicht nach dem Sinn, nein, seine Moral scheint auch sehr genügsam zu sein. Er legt viel Wert auf die kleinen Gesten, die Viele von uns wahrscheinlich schon automatisch machen. Sokrates und Platon entwerfen dagegen Bilder von perfekten Menschen, und dem höchsten Guten, das letzte Endes ohnehin keiner erreichen kann. Auch wenn die Überlegungen dahinter stimmen mögen und weit gedacht sind. Aber Konfuzius bürdet dieses Bild niemandem auf, sondern gibt sich mit einem sittlichen Menschen bereits komplett zufrieden.

 

Gemeinsamkeiten in der Denkweise

Man sieht also, dass im antiken Griechenland deutlich mehr hinterfragt, definiert und experimentiert wurde. Wohingegen Konfuzius immer bei den Traditionen und alten Wertvorstellungen geblieben ist. Aber sind das jetzt deshalb komplett unterschiedliche Philosophien? Kann man sie überhaupt noch vergleichen? Ja, kann man. Es gibt nämlich auch Gemeinsamkeiten.
Man darf nicht vergessen: Es waren beides Philosophen. Sie haben sogar zu einer recht ähnlichen Zeit gelebt. Der Konfuzianismus ist nicht einfach nur eine Religion für chinesische Sitten. Das habe ich ja auch schon vorhin gesagt. Es gibt nicht ein festes spezifisches Regelwerk aus dem letzten Jahrhundert, das Konfuzius ohne weiteres als richtig bezeichnet. Diese Sitten sind nämlich eigentlich ganz simple Verhaltensweisen, wie sich um seine Eltern zu kümmern, oder nachzudenken bevor man handelt. Etwas, das einem universell als richtig vorkommt. Es sind zumindest Werte, die die alten Griechen im Großen und Ganzen auch geteilt hätten. Es scheint, als wäre der Weg des Konfuzius zu dieser Wahrheit nur kürzer. Als hätte er geringere Ansprüche an seine Schüler. Wenn man ein folgsamer und guter Mensch ist, dann ist das schon gut genug. Und wenn man zufrieden mit seinem Leben ist, hat man alles erreicht, was man erreichen kann.

 

Endstand

Gut, fassen wir einmal zusammen. Wir haben uns heute ganz speziell den Konfuzianismus angeschaut, um ein besseres Bild von anderen Arten zu philosophieren zu bekommen. Und auf den ersten Blick wirkt es auch sehr andersartig: Konfuzius stellt traditionelle Werte und Sitten direkt als universell gut und den Sinn des Lebens dar. Damit erübrigen sich für ihn alle weiteren Fragen nach dem Sinn und dem Guten. Jedoch ist seine Vorstellung von Sitten nicht so, wie sie auf den ersten Blick wirkt. Es sind keine spezifischen, zufälligen Vorstellungen aus einer bestimmten Zeit. Sie sind auch nicht unreflektiert. Nein, denn das, was die genannten Werte tatsächlich so speziell macht, ist ihre Natürlichkeit. Sie sind auch sehr intuitiv. Es gehören Dinge dazu wie der Respekt gegenüber den Eltern. Die Treue gegenüber den eigenen Leuten. Dass man über die Konsequenzen für Andere durch eigene Taten nachdenkt, bevor man sie begeht. Das sind eben Werte, die universell gut sind. Und wenn man es schafft, immer nach ihnen zu leben, ist das nach Konfuzius allemal genug. Es braucht dafür keine weitergehenden Fragen, strenge Gesetze oder politische Veränderung. Konfuzius schwebt eine Gesellschaft vor, in der alle Menschen ihren Platz und ihren Sinn haben. Und dieses Konzept gibt es ja: Alle üben in einer Gesellschaft ihre Funktion aus. Und selbst wenn einige Menschen mehr privilegiert wirken als andere, haben beide den genau gleichen Weg zum glücklichen Leben. Und das ist es ja, was wir alle wollen! Jeder Mensch hat in so einer Gesellschaft Achtung verdient und kümmert sich um die Seinen. Ganz klar muss man nach den Eltern schauen, denn sie haben einen überhaupt erst dahin gebracht, wo man ist. Freunde und Gleichgesinnte sind auch wichtig, ebenso wie Eifer bei der eigenen Tätigkeit. Aber das reicht dann auch schon. Von dort aus ist man nicht mehr sehr weit davon entfernt, ein guter Mensch zu sein.
Für den antiken griechischen Philosophen Sokrates wäre das dagegen nicht genug. Mit seiner Philosophie hatten wir einen Vergleich angestellt, um zu sehen, wie er neben dem chinesischen Philosophen aussieht. Und schnell wurde klar: Es gibt große Unterschiede. Selbst wenn die Werte plausibel klingen, ist es der westliche Geist, alles zu hinterfragen. Und ob die neuen Werte dann künstlich sind oder gesetzlich aufgezwungen: solange sie zur Wahrheit und dem Guten führen, sind sie richtig. Aber wie soll man das Gute und damit das richtig Leben finden, wenn man nicht jeden Stein umdreht? Deshalb kann die sokratische Philosophie auch gar nicht so traditionsgebunden sein.
Und doch hat man deutlich gesehen, wie universell Konfuzius‘ Werte sind. Aufrichtig, ehrlich und treu zu sein, das ist auch bei den Griechen erwünscht. Ob man diese Werte nun als gegeben hinstellt oder von Grund auf herleitet, macht vielleicht doch nicht immer einen Unterschied.

 

Konklusion

Was halten wir also von Konfuzius? Nun, aus westlicher Sicht mag seine Philosophie zu simpel und einfach sein. Man könnte den Eindruck gewinnen, er würde einfach nur irgendwelche Dinge von sich geben, die ohnehin klar sind und nichts weiter ausführen. Wenn man weiter darüber nachdenkt, könnte man ihn sogar für gefährlich halten, weil er unreflektierten Konservativen Tür und Tor öffnen könnte.
Ich finde aber, dass genau in dieser Einfachheit die Stärke des Konfuzianismus liegt. Es ist eine Philosophie, die jeder schnell versteht. Man muss nicht jeden Begriff auseinandernehmen, um zu wissen, was er mit „Treue“ und „Ehrlichkeit“ meint. Und auch wenn ich noch immer auf Seiten der Philosophie bin, die alle Steine auf dem Weg zur Wahrheit und dem Glück umdreht: Manchmal liegt es doch einfach direkt vor uns. Manchmal ist ein gutes Leben so einfach, wie zu einer Person „danke“ zu sagen. Manchmal reicht es, sich bewusst zu machen, was wer eigentlich gerade für einen tut. Manchmal ist es genug, kurz in sich zu gehen und über seine nächsten Schritte nachzudenken, bevor man sie geht. Und manchmal ist man als glücklicher und zufriedener Mensch auf irgendeine Weise weiter als alle zweifelnden Philosophen.

So, und das war es mit dieser Folge. Was ein interessantes Thema! Es ist immer spannend für mich, einmal in andere Kulturkreise und Denkweisen einzutauchen! Sagt auf jeden Fall gern, wie ihr die heutige Reise fandet.

Lasst gern einen Kommentar da, was ihr denkt! Wenn ihr übrigens gerne die Blogbeiträge in Audioform hören, mich erreichen oder mir vielleicht sogar eine kleine Spende dalassen wollt, findet ihr alle Links dazu in meinem Linktree.

Gut, und das war alles. Macht es gut, einen schönen Tag noch!

 

Quellen

„Konfuzius“ - Heiner Roetz

„Gedanken und Gespräche des Konfuzius“ - Qiu Kong

„Die philosophische Hintertreppe“ - Wilhelm Weischedel

„Der Staat“ - Platon

 

 

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