#32 Optimismus, Pessimismus und Realismus

Zusammenfassung

Wie sieht ihr die Welt? Eher in einem positiven oder einem negativen Licht? Die meisten Menschen würden von sich wohl behaupten, sie wären weder Pessimist:innen noch Optimist:innen, sondern nur realistisch. Was genau soll das eigentlich heißen? Ich selbst bin eher Optimist, und hab mir schon oft anhören müssen, eine solche Weltsicht wäre unrealistisch. Interessanterweise scheinen viele Pessimist:innen zu denken, es wäre realistischer, negativ als positiv zu sein. Woran liegt das? Und wieso sollte es so sein? Es sind ja beides nur Meinungen und Perspektiven, nicht direkte Tatsachen. Und kann man überhaupt realistisch sein? Also ohne andere Meinung? Wenn wir nach Platon gehen, gibt es immer eine objektive Wahrheit, die in Meinungen eingebettet ist. Und das heißt, dass es beides gibt. Es sind getrennte Dinge! Man glaubt aber manchmal kaum, was es für einen Unterschied macht, wie man die Welt sieht. Wir haben sehr viel Macht über unsere eigene Realität. Was heißt das?                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Hallo zusammen und herzlich willkommen zurück zu einer weiteren Folge von „Philosophie für zwischendurch!“

 

Einleitung

Ich bin wieder da! Irgendwie habe ich es dann doch nicht so lange ohne eine neue Folge ausgehalten. Ganz ehrlich: Ich habe mir schon so oft überlegt, mal eine Weile Pause zu machen! Es kamen ja jetzt auch schon viele Folgen heraus und ich habe so viel geredet… Aber ich mach das hier einfach sehr sehr gerne und bin wie immer sehr dankbar, dass ihr mir zuhört! Also, los geht’s!
Was ist denn das heutige Thema? Die heutige Folge ist wieder etwas persönlich. Ihr müsst nämlich wissen, ich bin eigentlich ein sehr positiver Mensch. Oder versuche, es zu sein. Irgendwie habe ich das Gefühl, so lebt es sich einfacher. Aber ich kenne auch viele Leute, die eher etwas negativer auf die Welt blicke. Mir wurde teilweise schon vorgehalten, ich wäre unrealistisch, ein Träumer. Gut, und vielleicht bin ich das auch. Aber das ist wahrscheinlich auch die Eigenschaft eines Philosophen. Ihr kennt es aber doch sicher auch, wenn Leute sagen: „Ich bin kein:e Pessimist:in, sondern Realist:in.“, oder? Was soll das eigentlich heißen? Das Klischee ist doch folgendes: Die Welt ist problematisch und streng. Und jede Person, die das sieht, ist realistisch. Wenn einem die Welt also tatsächlich negativ erscheint, ist man nicht nur Pessimist:in, sondern auch Realist:in. Man hat nicht nur das subjektive Gefühl, dass die Welt eher negativ ist, es stimmt auch. Und damit stehen optimistische Weltsichten oft auf der anderen Seite. Sie erscheinen naiv und weltfremd.
Haben dann also Pessimist:innen öfter recht als Optimist:innen? Ich will mich heute ein bisschen mit diesen Begriffen auseinandersetzen und Klarheit schaffen.

 

Einschub

Übrigens, wenn ihr es noch nicht getan habt, folgt gerne meinem Instagram-Account „philosophie_fuer_zwischendurch“! Da lade ich regelmäßig philosophische Funfacts und Beiträge hoch und halte euch auf dem Laufenden, was die Folgen angeht. Wobei ich zugeben muss, dass eine meiner Storys dazu einmal vielleicht etwas übereilt war, als ich dachte, ich würde eine Pause machen wollen. Naja, wie auch immer: schaut gerne vorbei, wenn ihr mal Lust habt!

Annäherung

Aber gut, zurück zur Folge. Was genau sind Optimismus und Pessimismus eigentlich? Im Grunde sind sie nicht mehr als subjektive Sichten auf die Welt, würde ich sagen. Auffassungen von Realität, positiv und negativ.
Über die Realität selbst haben wir uns in einigen Folgen schon unterhalten, deswegen gehe ich darauf nur kurz ein. Im Grunde gibt es zwei Ebenen von ihr: Das, was man subjektiv wahrnimmt und das, was objektiv existiert. Jetzt gibt es Philosoph:innen wie Protagoras, die meinen, es gäbe gar keine objektive Ebene. Und Platon befindet dafür die Subjektive für unbedeutend. Lest dazu gern die Folgen: „#06 Was können wir wissen?“, „#28 Wer waren die Vorsokratiker“ oder „#30 Bildet Reisen wirklich?“, denn da habe ich überall deren Positionen weiter ausgeführt.
Für diese Folge schließen wir aber nur einen schnellen Kompromiss zwischen diesen Extremen. Die Realität an sich ist ja nicht unser Thema. Sagen wir also ganz direkt: Es gibt eine objektive Realität. Es gibt Dinge, die wir alle sehen können, weil sie objektiv für alle existieren. Aber trotzdem können wir alle nur mit unseren eigenen Augen sehen und mit dem eigenen Kopf denken. Deshalb sind alle Wahrnehmungen zu einem gewissen Teil subjektiv. Wir haben also eine objektive Realität, auf die wir alle subjektiv Bezug nehmen. Dadurch ist diese Welt für uns alle etwas anders. Aber es gibt genug Überschneidungen, dass wir sie objektiv nennen können.
Also gut, warum erzähle ich euch das? Selbst wenn die Welt eben ist, wie sie ist: Dadurch, dass wir sie subjektiv wahrnehmen, haben wir ein bisschen Macht darüber, nicht wahr? Macht darüber, wie sie uns erscheint. Man könnte fast sagen, dass wir diese Realität manipulieren könnten! Und wozu? Naja, wir könnten versuchen, uns die Welt so schön wie möglich zu gestalten! Aber natürlich nicht die komplette. Zwar haben wir auch ein bisschen Auswirkung auf die objektive Ebene, aber sehr viel weniger. Wir sind ja bei weitem auch nicht die Einzigen, die darauf Zugriff haben. Hier kommt nämlich der Realismus ins Spiel: Ein:e komplette:r Realist:in wäre eine Person, die die objektive Welt objektiv wahrnimmt. Dass es eine solche Person nicht geben kann, ist wahrscheinlich klar. Aber die objektive Welt muss in jeder Perspektive die Basis sein. Wie Platon in seinem „Theaitetos“ Sokrates sagen lässt: Egal, was man denkt und meint, mathematische Rechnung bleiben immer gleich.
Was machen wir also damit? Optimist:in zu sein heißt nicht, unrealistisch zu sein. Und Pessimist:innen sind nicht automatisch Realist:innen. Das hat sogar recht wenig miteinander zu tun. Solange man die objektiven Fakten nicht aus den Augen verliert, kann man sie vor sich darstellen, wie man will. Warum also nicht Optimist:in sein? Es gibt das Argument, dass man als Pessimist:in weniger enttäuscht ist, wenn Dinge nicht funktionieren und das mag sein. Vielleicht fällt man tiefer, wenn man nach großen Hoffnungen enttäuscht wird. Aber würde man nicht positiv und hoffnungsvoll in die Zukunft schauen, wenn man seinen Optimismus behält? Und wäre trotz geringer Hoffnungen als Pessimist:in recht alleingelassen? Ich möchte euch an einem Beispiel zeigen, wie viel es ausmacht, wie man die Welt sieht. Du auch, dass man bei jeder Interpretationsweise realistisch bleiben muss.

 

Philosophischer Pessimismus

Wusstet ihr, dass der Pessimismus auch eine philosophische Ausrichtung ist? Besonders im 19. und 20. Jahrhundert war sie sehr groß, Hand in Hand mit dem Existenzialismus. Es war eben eine Zeit, in der die Philosophie immer öfter Gott und damit den Sinn das Daseins hinterfragt hat. Und da gibt es natürlich viel Raum für negative Ergebnisse.
Eine:r der bekannteren Pessimist:innen war der Philosoph Arthur Schopenhauer, den ich auch in der letzten Folge erwähnt habe. Jetzt wir es kurz etwas existenzphilosophisch, aber keine Sorge, wie kehren gleich wieder zum Folgenthema zurück. Jedenfalls sagt Schopenhauer in seinem Werk „Die Welt als Wille und Vorstellung“, dass Leben Leiden bedeutet. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Der Menschliche Wille bestimmt die menschliche Welt. Denkt mal darüber nach: Alles, was wir tun, tun wir nur, weil wir oder andere etwas wollen. Meistens Beides. Der menschliche Wille ist der Motor der Gesellschaft, der Politik, von allem. Und dabei meint Schopenhauer nicht nur die bewussten, sondern auch unbewussten Wünsch. Triebe gehören auch dazu und auch das, was man nicht haben will, denn auch das ist ein Wunsch: der, dass dieses Etwas nicht passiert. Die Todesfurcht ist das beste Beispiel. Also, das alles treibt uns und alle Menschen an. Aber was ist daran das Problem?
Schopenhauer sagt, dass jeder Wille auch Leid bedeutet, weil man das entsprechende Objekt nicht hat und sobald man es bekommt, will man etwas Neues, der menschliche Wille ist einfach so aufgebaut. Schopenhauer schreibt ihm nämlich drei Eigenschaften zu: Er ist zielgerichtet, beharrlich und unersättlich. Wenn ein Mensch etwas will, dann sind die Augen sofort auf dem Ziel. Je nachdem, wie groß der Wille ist, kann er sogar ganz allein der Mittelpunkt des Lebens werden. Und ganz beharrlich verfolgt man es dann, so gut man kann. Aber wenn man es dann hat, ist man nicht plötzlich willenlos. Es gibt nur einfach einen neuen Wunsch. Irgendetwas anderes, das nicht stimmt, irgendein neues Leiden.
Und das macht das Leben nicht nur leidvoll, sondern auch ziellos. Denn wer verfolgt denn in Ziel, wenn es ihn/sie am Ende gar nicht glücklich macht? Und vor allem, wenn man es dann gar nicht mehr will und für neue Probleme sorgt. Das Problem ist einfach, dass der menschliche Wille der höchste Sinn auf Erden ist. Schopenhauer war kein Fan von Gott. Nun und so ist „weil ich es eben wollte“ die letzte Erklärung und Begründung für alle menschlichen Handlungen. Und das ist zirkulär! Wir wollen einfach nur, weil wir wollen! Und so ergibt sich ein Leidenskreislauf, der unser Leben ist.

 

Philosophischer Optimismus

Sehr negativ, nicht wahr? Tatsächlich war Arthur Schopenhauer auch ein großer Freund des Buddhismus, das hat seine Texte schwer beeinflusst. Zu dieser Religion könnt ihr gern meine entsprechende Folge hören, das ist: „#25 Der Buddhismus: Fernöstliche Philosophie“. Aber hier sehen wir, was Schopenhauer aus den objektiven Fakten macht. Jetzt nehmen wir einmal an, dass es Gott tatsächlich nicht gibt. Das Leben ist sinnlos und wenn man etwas will, fehlt es einem. Schopenhauer redet gar nicht von der immensen Freiheit, die man dadurch hat, nichht wahr? Kein Wort darüber, wir motivierend es ist, ein Ziel zu erreichen oder auch nur zu verfolgen. Stattdessen liegt der gesamte Fokus auf dem Leid durch das Wünschen.
Doch geht das auch anders? Allerdings. Und zwar auch mit derselben Faktenlage. Ich habe ihn euch bereits vorgestellt: Der Text „Also sprach Zarathustra“ von dem Philosophen Friedrich Nietzsche. Er sagt darin nämlich auch, dass das Leben sinnlos ist. Nietzsche ist der Meinung, dass Gott durch den wissenschaftlichen Fortschritt so unplausibel geworden ist, dass er keine Basis mehr bieten kann. Wir haben ihn quasi getötet, um es in den Worten des Philosophen zu sagen. Nun, und damit fällt nicht nur der Sinn des Lebens weg, sondern auch alle gesellschaftlichen und moralischen Regeln. Nicht umsonst ist durch den Philosophen das Wort „Nihilismus“ bekannt geworden. „Nihil“ heißt „nichts“ auf Latein. Aber Nietzsche war kein Nihilist, sondern hat vielmehr sein Umfeld so beschrieben: Lauter Leute, die einen toten Gott anbeten und nach bedeutungslosen Regel ein sinnloses Leben leben.
Für den Philosophen bietet ein so leeres Leben aber eigentlich die perfekte Gelegenheit auf Füllung! Es ist doch perfekt, wenn wir der höchste Sinn auf Erden sind, denn das macht uns ja zu Göttern! Oder Übermenschen, wie Nietzsche sagt. Und der Vorteil, Gott zu sein, ist, dass man tun und lassen kann, was man will! Wozu brauchen wir einen übergeordneten Sinn, wenn er uns zu einem Leben zwingt, das nicht ideal ist? Wenn wir an der Macht sind, können wir uns selbst Regeln überlegen, nach denen wir leben wollen. Wir können selbst schauen, welche Werte Sinn ergeben. Den Sinn selbst können wir bestimmen!

 

Endstand

Wir haben hier also zwei Philosophen, die über die genau gleiche Faktenlage zwei entgegengesetzte Dinge sagen. Es gibt keinen Gott und unser Leben ist ein ständiger Kreislauf bis zum Tod. Nach Schopenhauer bedeutet da Sinnlosigkeit und Leid und nach Nietzsche Freiheit und Hoffnung! Dabei liegt keiner von ihnen falsch. Und ich will Schopenhauer auch nicht als den geringeren Pessimisten darstellen. Aber es ist einfach wahr: Wir haben viel Macht über unsere Realität!
Gut, fassen wir einmal zusammen. Ich habe diese Folge damit begonnen, dass Optimist:innen häufig als Träumer:innen oder unrealistisch angesehen werden. Pessimist:innen werden dagegen oft als realistisch und rational eingestuft. Aber hier gehen die Begriffe einfach zu sehr auseinander. Wir haben den Optimismus, Pessimismus und Realismus. Wie fasst man das alles?
Wir haben gesagt, dass diese Worte zwei unterschiedliche Ebenen von Realität treffen: Die subjektive und objektive. Und der Kompromiss zwischen Philosoph:innen wie Protagoras und Platon ist: Es gibt eine objektive Welt, die auch existieren würde, wenn keine:r hinschauen würde. Trotzdem nimmt sie jede:r nur subjektiv wahr. Denn alle haben ihre eigenen Augen, Ohren und Gedanken. Diese objektive Welt objektiv zu erfassen, das wäre damit purer Realismus. Aber wie wir wissen, gehen alle Beobachtungen durch einen eigenen, subjektiven Filter. Genau deswegen gibt es ja den Optimismus und Pessimismus! Diese subjektive Realität gehört uns und wir können sie bis zu einem gewissen Grad manipulieren. Wie groß der Unterschied sein kann, sehen wir bei den Philosophen Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche! Schopenhauer gehört sogar dem philosophischen Pessimismus per Definition an. Und dabei sagen beide im Grunde dasselbe: Es gibt über dem Menschen keinen weiteren Sinn und am Ende ist unser Handeln zirkulär. Während aber Schopenhauer darin einen Beweis für die Sinnlosigkeit und das Leid des menschlichen Lebens gesehen hat, sieht Nietzsche Freiheit und Hoffnung. Und hier kann nicht einer weniger realistisch gewesen sein als der andere.
Also, die objektive und subjektive Realität sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Solange man nämlich die objektiven Fakten nicht aus den Augen verliert, ist es egal, ob man Optimist:in oder Pessimist:in ist. Aber lässt es sich nichht leichter leben, wenn man die Welt in einem positiven Licht sieht? Denn über diese Realität haben wir Macht! Sie können wir manipulieren.
Hier muss ich aber kurz einwenden, dass ich kein Psychologe bin. Und wenn unter euch welche sind, dürft ihr gern eure Meinung zu dem Ganzen sagen. Also, der Rest natürlich auch. Aber ich weiß ncht, wie sehr man die subjektive Realität tatsächlich in der Hand hat. Und auch will ich den Wert des Optimismus nicht verabsolutieren. Man soll sich nicht zwingen, immer alles positiv zu sehen. Das ist nicht der Sinn der Sache.

 

Konklusion

Doch das hier möchte ich euch auf den Weg geben: Es kann immer passieren, dass die Fakten der objektiven Welt für einen nicht so rosig aussehen. Manchmal läuft es einfach mies. Und dann ist es auch berechtigt, eine negative Sicht zu haben. Aber wisst nur: das ist nicht alternativlos! Alles kann man drehen. Und ja, ich meine alles! Schaut euch Nietzsche an: Er hat aus dem Tode Gottes, einem allmächtigen Beschützer, der für jede:n und alles da ist, etwas Gutes gemacht! Übrigens muss Nietzsche mit Gott natürlich nicht recht haben. Aber dazu haben ich schon eine andere Folge: „#26 Wozu glaubt man an Gott?“ Scheut euch nicht davor, zu träumen. Die Fakten dort draußen mögen stehen und sie sind wichtig. Aber das hier ist eure Realität. Und die wollt ihr euch doch so schön wie möglich gestalten, nicht wahr?

So, und das war’s für heute. Noch einmal vielen Dank, dass ihr mir so treu zuhört. Das ist echt ein unglaublicher Antrieb. Und folgt wie gesagt gern meinem Instagram-Account: „philosophie_fuer_zwischendurch“.

Lasst gern einen Kommentar da, was ihr denkt! Wenn ihr übrigens gerne die Blogbeiträge in Audioform hören, mich erreichen oder mir vielleicht sogar eine kleine Spende dalassen wollt, findet ihr alle Links dazu in meinem Linktree.

Und das war es auch schon. Macht es gut, passt auf euch auf und bis zum nächsten Mal!

 

Quellen

„Theaitetos“ – Platon

„Die Welt als Wille und Vorstellung“ – Arthur Schopenhauer

„Also sprach Zarathustra“ – Friedrich Nietzsche

Kommentare

Beliebte Posts